Hallo,

da muss ich aber in einigen Punkten erheblich widersprechen.

T.S. schrieb:

> Mit dem Beginn der Großlarps (und der gleichzeitigen
> Verbreitung des Internets) begann eine neue Larpära, in die
> nicht alle "Old School" Gruppen problemlos überwechseln
> konnten.

Also zumindest was mein LARP angeht, hat das Internet darauf nur einen sehr geringen Einfluss. Ich verwende vielleicht mal den LARP-Kalender um mich schlau zu machen, was so abläuft und wenn eine Gruppe eine eigene Seite hat, schau ich mir die mal an um einen ersten Eindruck von denen zu bekommen, dass war’s dann aber auch schon. Die Cons, die ich veranstalte und auf die ich gehe, laufen bei mir nach wie vor zu mehr als 75% über Mundpropaganda. Ich werde dieses Jahr voraussichtlich auf 6 mal als Spieler 4 mal als NSC und 2 mal als SL auf Con sein. Nicht eine Einzige dieser Veranstaltungen habe ich mir ausgesucht indem ich großartig das Internet verwendet hätte. Meistens wurde ich auf Veranstaltungen angesprochen oder von Bekannten angerufen, ob ich Lust hätte zu kommen.

> Früher waren 20-30 Mann Gruppen absolute spieltechnische
> Großmächte und auf Larps klar tonangebend.

Das war auf Cons, auf die ich gehe erstens selten der Fall und zweitens gibt es in meinem LARP da das Regulativ des jeder kennt jeden und wenn so eine Gruppe es übertreibt, bekommt die von einer Zusammenrottung von 40 Einzel- und Kleingruppenspielern ordentlich Feuer unter dem Hintern. Und wenn es ganz hart auf hart kommt, gibt es immer ein paar so Typen wie mich, die im absoluten Extremfall (wenn die Veranstaltung praktisch schon in ein nicht beabsichtigtes PvP gekippt ist) auch mal nachts den Dolch zücken und ein paar Zelte besuchen. Das Schöne daran ist, dass allein das Wissen um diesen Umstand recht gut verhindert, dass etwas größere Gruppen meinen einen auf dicke Hose machen zu müssen. Eine vernünftige Conauswahl und Orgas/SLs, die solchen Gruppen einen Riegel vorschieben ist natürlich die bessere Vorgehensweise, aber ein Plan B oder C in der Hinterhand ist ja nie verkehrt.

> Meistens basierten
> sie auf dem Konzept: Punktetechnisch aufgeblasene
> Supercharaktere und ihre nach Dienstalter sortierten Vasallen.

Da kenne ich ein paar Fälle, aber generell halte ich es für Blödsinn, dass größere Gruppen mehr zum Punktesammeln neigen als Einzelcharaktere.

> Larp war wesentlich regionaler und Kampagnenlastiger und die
> Bedeutung dieser Gruppen wurzelte in ihrer regionalen
> Hegemoniestellung und war immens, um sie drehte sich praktisch
> die Larpwelt.

Da kann ich eingeschränkt zustimmen. Natürlich waren z.B. im bayrischen Raum Cons mit Gruppen aus Torog nai und Trawonien (anderswo, gab’s andere Gruppen) für so manchen Einzelspieler problematisch, aber das wusste man gewöhnlich vorher und es gab immer genug Möglichkeiten diesen Cons auszuweichen und auf andere Veranstaltungen zu gehen. Das habe ich regelmäßig gemacht, oder mich halt mit den Gruppen arrangiert, wenn ich doch ausnahmsweise mal in eine Situation gestolpert bin in der die superindividualistischen Einzelspieler es mal wieder nicht gebacken gekriegt haben sich zum Selbstschutz zusammenzurotten und eben ihre eigene improvisierte 30 Mann Schicksalsgemeinschaft zu formen. Leute, die gerne in größeren Gruppen einen auf dicke Hose machen bestehen nämlich fast zwangsläufig aus wenigen „Führungspersonen“ und einer Menge feigen Mitläufern, die plötzlich gar keine Lust mehr auf dicke Hose und Konfrontationskurs haben, wenn für sie selbst ein Risiko besteht. Die Instantwegwerfmitläufercharakterspieler mal außen vor gelassen, aber die spielen sowieso ein ganz anders Spiel als ich.

> Nach Beginn der Großlarps wurden für sehr viele Spieler die
> Ereignisse auf den Großlarps wichtiger/interessanter als im
> regionalen Milieu.

Nur gut, dass das genau die Spieler sind, mit denen ich eh nicht unbedingt zusammenspielen will.

> Dank dem Internet konnte man sich
> überregional besser verständigen und traf leichter Spieler von
> weiter her mit ähnlicheren Ansichten als die eventuellen
> Tonangeber im heimischen Larphinterwald.

Das trifft in gewissen Grenzen zu, aber Leute, die eine größere Gruppe mit Leuten gebildet haben, die verschiedene Spielstile bevorzugen kann und konnte ich noch nie verstehen.

> Desweitern veränderten sich auch Regelwerke und Spielweisen.
> Schwere Rüstungen, die früher ein seltener Luxus waren und
> eigentlich auch nur von "Überzeugungstätern" getragen wurden,
> weil die immer schlechter als die magische Alternative waren,
> wurden auf einmal Gang und Gebe

Da verstehe ich jetzt den Zusammenhang nicht ganz. Die größeren Gruppen, die ich so kenne, bestehen tendenziell aus überdurchschnittlich gerüsteten, das müsste solche Gruppen ja stabilisieren.

> und die Großlarpregeln
> bevorzugten als neue Kämpferklasse Rudel von gepanzerten
> Krustentieren im Gegensatz zu dem früher vorherrschenden
> einsamen Doppelkatanafuchtler mit riesigen
> Magiepunkteschilden.

Mit Verlaub, hier schreibst du Blödsinn. Die Regelwerke und Richtlinien, nach denen ich so spiele, That’s live, DS, DKWDDK haben sich seit 10 oder mehr Jahren kaum verändert und da hatte ein Halbnackter mit magischer Rüstung nur unter sehr innovativer Auslegung der Regeln ähnliche Panzerungswerte wie ein schwer gerüsteter.

> Diese Veränderungen dürften vielen "klassisch" aufgebauten
> Gruppen einiges an Reiz genommen haben.

Nein, den Reiz haben solche Gruppen verloren, als ihre Mitglieder mit Studium/Ausbildung fertig wurden und sich über ganz Deutschland und ins Ausland ausgebreitet haben, und als sie etwas später geheiratet und Kinder bekommen haben. Das was heute an größeren Gruppen rum läuft rekrutiert doch sein Fußvolk auch größtenteils aus der Altersklasse bis 25 oder vielleicht 27. Versuch du mal aus 50 Leuten, von denen mehr als die Hälfte kleine Kinder hat, 20 auf die gleiche, potentiell kampflastige Veranstaltung zu bringen und mit denen eine schröklich möchtige Gruppe darzustellen. In den neuen Gruppen der Größenordnung sind die 27jährigen halt nicht mehr die LARP-Opas, die schon in der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts auf ihren ersten Cons waren, sondern halt einfach Leute, die das schon ein paar Jahre machen. Damit sind sie nichts Besonderes mehr und denen läuft das neue Anfänger-Fußvolk halt nicht so leicht nach wie jemanden, der angeblich das LARP miterfunden hat. Und dann kommt noch in der jüngeren Altersklasse die Gruppe der LARPer nach, die tatsächlich von Computerspielen beeinflusst wurde. Zu meiner Zeit waren eher die P&P Spiele das Umfeld aus dem sich neue Spieler rekrutiert haben und zwischen diesen Gruppen ist schon ein Unterschied erkennbar.

Ich persönlich bin aber gar nicht böse über diese Entwicklung, weil mir jegliche Form von schröklich möchtig im LARP gewaltig auf den Zeiger geht und diese Gruppen was meine Erfahrung angeht sehr schnell angepisst reagieren, wenn ihnen deutlich klar gemacht wird, dass sie ihren Spielstil spielen können wo immer sie wollen, dass sie aber viele andere Leute damit gefälligst in Ruhe lassen sollen. Solange diese Spieler von den Großcons angezogen werden, habe ich auf meinen Cons meine Ruhe und wenn Teile dieser Gruppen, das große Heer ist da ein ganz gutes Beispiel, auf andere Cons kommen un mein "ich vermeide solche Situationen Con-Filter" versagt hat, dann habe ich von mitspielen und anpassen über ignorieren zu extremen Konfrontationskurs eine ganze Tüte voll bewährter Verhaltensweisen um mit denen klar zu kommen.

cu Reinhard