...ja ja, diese Verhalten der lieben Mit-LARPer kenne ich nur zu gut. Kritikfähigkeit ist nicht gerade weit gestreut in der LARP-Szene.

Genaugenommen liegt meiner Meinung nach eine grosse Schwachstelle des LARP in Deutschland im fehlenden Gesamtkonzept. Obwohl es die Mittellande gibt, gibt es innerhalb der Mittellande hunderte von Kampagnen und damit verbunden hunderte von Hintergründen. Die freien Spieler ganz ohne Kampagnenbindung kommen auch noch dazu und so haben wir im Endeffekt ein wildes Kuddelmuddel aus tausenden von Vorstellungen. Die einen mögen High-Fantasy und wären am liebsten selber Dämonen mit weltbewegenden Fähigkeiten, andere ziehen es vor den normalen Menschen in einer nicht ganz normalen Welt zu spielen. Und irgendwie kommt in diesem ganzen Kuddelmuddel natürlich kein wirkliches Gesamtgefühl für eine Spielwelt auf. Nur einzelne Segmente entwickeln dieses Spielgefühl - doch wenn man sowas sucht, kann man nur recht selten auf Cons gehen.

Eine Gesamtkampagne wäre eine schöne Lösung, aber wir LARP könnten uns ja nichtmal auf die Farbe von Sch.... einigen. Momentan unterscheiden wir in Länder - aber vielleicht ist gerade das der grosse Fehler. Vielleicht sollten wir lieber drei verschiedene Hintergrund-Kampagnen einrichten, die jeweils High-, Normal- und Low-Fantasy bedienen. So würde zumindest einer der massivsten Streitpunkte im LARP wegfallen. Wer seine Weltuntergänge und epische Schlachten will, kann sich dann im High-Fantasy-Reich rumschlagen, während die Allerländer in der Low-Fantasy-Welt ihr Unwesen treiben. Alles, was sich weder dem einen noch dem anderen zugehörig fühlt, kann sich ja dann in der Mitte treffen. Ich halte eine solche Trennung für besser als solche Reiche wie Trawonien, in dem einem die Engel und Dämonen wie die Osterhasen um die Ohren hüpfen und Weltuntergangsschlachten fast täglich sind, neben solchen Ländern wie den Allerlanden oder Lyrien existieren zu lassen.
Mit einem solchen Hintergrund könnte man dann auch wirklich mal zu einem Spieler sagen: Sorry, aber wir spielen in der falschen Kampagne für diesen Charakter - lass den bitte in den High-Fantasy-Reichen.

Traumhaft wäre es natürlich, wenn diese drei Kampagnen sich noch auf einen gemeinsamen Hintergrund mit gemeinsamen Göttern und gemeinsamer Geschichte einigen könnten - aber das ist dann wirklich eine Träumerei meinerseits.

Zusätzlich bräuchte man dann wirklich eine Art Knigge, der einem Spieler sagt:

Hey, wenn der Rest hier keine Schadensansagen macht, mache ich dass auch nicht.
Wenn der Rest hier nicht zaubert wie eine Maschinengewehr, werde ich es auch nicht tun.
Ich werde im Kampf keine Schwalben machen. Ich werde keine unnötigen, dummen Todesstösse setzen.
ICH WERDE AUF DIE ANDEREN CHARAKTERE RÜCKSICHT NEHMEN und nicht auf Teufel und komm raus jedem beweisen, dass ich den Grössten habe.

Aber hier treffen wir wieder auf ein Problem: Viele LARPer sind extrem egozentrisch. Sie wollen den Helden spielen, den sie schon im Tabletop gespielt haben. "Ich bin der Held, ich rette die Welt, alle beten mich an, alle Frauen/Männer wollen nur mich - denn ich bin toll! (Und ich habe die Punkte um es allen zu zeigen.)"
Eine gute Portion Demut wäre da mal angebracht - und das Verständnis, dass im LARP aufgrund der Struktur nunmal nicht jeder der Held sein kann. Wer da mit unsichtbaren Chaosrüstungen und feuerballwerfenden Schwertern rumläuft wird nicht zum Held, sondern zum störenden Hanswurst, der vielen anderen Spielern den Spass verdirbt. Gutes Spiel ist nunmal wichtiger als gute Artefakte und ein dickes Punktekonto. Und dass sollte mal in den Schädeln der Spieler ankommen.

Aber irgendwie habe ich da keine Hoffnung, dass es jemals ankommen wird.

Jörg