Allgemeine Diskussion Larpinfo-Forum
Das allgemeine Forum. Hier können OOC und IC Dinge besprochen werden. Bitte bleibt bei LARP Themen ;) 
wieder ein wenig oeberflaechlich:
geschrieben von: Rraurgrimm
Datum: 2004-06-14 11:39

//Naja also heutige Bildung ist wohl kaum mit pseudomittelalterlicher zu vergleichen.//

Eindeutig richtig. Durch die Verbesserung der Kommunikation und der Erhaltung von Informationen haben wir eine ungleich groessere Sammlung von objektiv beobachteten Tatsachen und muessen uns nicht auf das muendlich ueberlieferte Hoerensagen stuetzen. Dennoch waren die Menschen des Mittelalters (oder generell vergangener Zeiten) nicht unbedingt "dumm" - sondern vielmehr von unserem Standpunkt aus betrachtet "falsch gebildet". Deshalb auch der Unterschied zwischen "Intelligenz" und "Weisheit" bei den meisten gaengigen Pen'n'Paper-Systemen (wobei nach meiner Argumentation die "Weisheit" dann auch noch am kulturell-historischen Hintergrund gemessen werden muesste). Intelligenz sehe ich hier als die Gabe, Sinneseindruecke folgerichtig zu bearbeiten und daraus Folgerungen zu ziehen. Weisheit dagegen als das angesammelte Wissen und die Nutzung desselben.


//Sonen Tierfilm über Löwen zu gucken, die mit der Kamera wochenlang beobachtet wurden, wo man auch sieht, was die nachts treiben, wie die Junge aufziehen, wie die Fressen und was auch immer ist eine Sache.

Aber wie hat man wohl früher einen Löwen oder ein anderes Raubtier gesehen. Entweder gar nicht, oder nur dann, wenns einem eventuell auch an den Kragen gehen könnte.
Über die wußte man fast gar nichts und kannte die nur als unberechenbare Wesen, die ab und zu Vieh reißen.//

Sicherlich wusste der durchschnittliche Mensch des Mittelalters recht wenig bis garnichts ueber diese legendaeren Kreaturen wie Loewen - die zwar in der Bibel ab und an an den Sonntagen erwaehnt werden aber die man sich dann doch eher selbst ausmalen musste. Nicht zuletzt wurden viele Tiere noch bis in das 18. Jhdt. hinein sehr befremdlich dargestellt und beschrieben: Raubkatzen mit Menschenkoepfen weil man die Fellzeichnungen falsch verstanden hatte und dann diese Berichte mit denen mythischer Ungetueme wie dem Manticor in Verbindung zu bringen suchte. Berichte ueber "Menschenaffen", die ja doch nur "wilde, unzivilisierte Menschen" waren die in Barbarei in den tiefen Waeldern lebten. Erzaehlungen von Meerjungfrauen, die an sich (vermutlich) eher beobachtete Seekuehe waren, die ihre Jungen aufrecht schwimmend an der Brust saeugen und damit entfernt an einen Menschen erinnern, schliesslich saeugt ja kein Fisch einen anderen, oder?? Funde wie angeschwemmte Seehunde die noch im 19. Jhdt. in Hamburg als "Meerjungfrauen" von Hagenbeck ausgestellt wurden oder Paviane, die von Marco Polo in seinen Reiseberichten als "hundskoepfige Menschen" beschrieben werden.

Das bleibt unbenommen, erst mit mehr Tatsachen und den ausgestopften Exemplaren in den Museen die man mit eigenen Augen gesehen hatte (so sie denn nicht aus irgendwas zusammengestoppelt worden sind wie die ersten Saurierskelette, darunter eine angebliche "Riesenseeschlange") wuchs das allgemein vertretene Bild und damit auch das Wissen ueber unsere Flora und Fauna.

Aber einen Baeren, einen Wolf, eine Wildsau mit Frischlingen - das kann man von dem Nachbarn gehoert haben, der Treiber auf der herrschaftlichen Jagd war. Das kann man selbst gesehen haben als man wider aller Vernunft gewildert hat. Jaeger sind nicht unbedingt dumm und schon garnicht unwissend in ihrem Gebiet - und das von ihnen beobachtete Wild hat sein Verhalten nicht immer veraendern muessen. Beispiel: der Wolf. Ein Raubtier im europaeischen Raume, welches in Rudelgemeinschaften zu jagen pflegt und feste Reviere achtet. Mit dem Ausbreiten menschlicher Siedlungen draengt man diese Tiere mehr und mehr in die noch wilden Gegenden - und damit haeufig in die Reviere anderer Rudel. Um dennoch weiterhin trotz kleiner gewordenen Jagdgebieten ueberleben zu koennen jagten diese Rudel oder verstossene Einzelgaenger dann auch schon mal in kaerglichen Zeiten in den Herden der neu hinzugezogenen menschlichen Nachbarn - und sorgten somit fuer die Berichte ueber die schadende, reissende Bestie. Noch besser liess sich dies verkaufen als die Kirche als uebergreifende Institution "Woelfe und anderes Getier" mit einem Male unterschied in "dem Menschen nutzbringen und Untertan zu machen" und "unnuetzes Getier". Klar: damals war noch keine Rede von einem zusammenhaengenden Biosystem und den Verknuepfungen einer Nahrungskette - zudem ist es gut wenn man dem Volkszorn ein ansprechendes Feindbild zu liefern vermag welches zudem mit alteingesessenen heidnischen Traditionen aufzuraeumen vermag.

Ist deshalb ein Wolfsrudel fuer den Menschen schaedlich? Heute wissen wir objektiv und nachweislich - nein. Und das damals es ALLE vor der Einflussnahme durch ihr kulturelles Umfeld zwingend anders gesehen haben MUESSEN wage ich zu bezweifeln.

//Nichtmal andere Menschen kannte man vernünftig. Ganze Völker waren nur dafür bekannt, wie sie Leuten des eigenen Volkes gegenüber begegnet waren. Bestimmte Völker, die für Grausamkeiten bekannt waren wurden gänzlich gefürchtet, und oft reichte nur ein schrecklicher Ruf oder allein die Zugehörigkeit zu einem Volk mit entsprechendem Ruf aus um Leute einzuschüchtern.
Dazu kommt noch, daß Sprachbildung wohl nur auf vergleichsweise wenige Händler und Dolmetscher beschränkt war, was bedeutet, daß ein Mensch eines anderen Volkes für einen sone Art Tier war(schließlich kann der genausoviel oder wenig sprechen wie eins).
Wenn man unvorbereitet in das Territorium anderer Menschen geriet hatte man wenig Chancen da heil davonzukommen. An der japanischen Küste zu stranden war wohl ein sicheres Todesurteil für alle Fremden, genauso wie an der friesischen.
Fremde waren eigentlich sehr lange Zeit Freiwild, wenn sie nicht geschützt waren durch die jeweilige Landesmacht.//

Eine sehr (vorsicht, koennte beleidigend aufgefasst werden) "pseudomittelalterliche" Ansicht. Bleiben wir anhand konkreter Beispiele dabei: Christen gegen die den Lehren des Islam anhaengenden Araber und Tuerken. In Spanien erhob man sich gegen die andersglaeubigen Invasoren vom afrikanischen Kontinent. Sagen wie "El Cid" ueber den heroischen Widerstand der Spanier gegen die maurischen Besatzer entstanden und schliesslich gelang es dank des Beistandes des Herren die Unglaeubigen aus den spanischen Stammlanden zu vertreiben. Ebenso mit den Tuerken und Serbien, Kroatien, Griechenland und Ungarn - nach dem Fall Konstantinopels (Byzanz) drangen die tuerkischen Horden tief in besagte Lande ein, drohten gar den Untergang der gesamten Christenheit mit sich zu tragen und alles unter den Halbmond zu bringen. Einzig die Feste Belgrad hielt sie als Bollwerk jahrzehntelang auf und mit ihrem Fall schien die Welt verloren bis die Tuerken sich in mehreren Schlachten danach geschlagen geben und zurueckziehen mussten. Das sind historische Erbfeinde - Tolkien-Elfen gegen Tolkien-Orks (ohne zu werten wer nun wer ist). Da kann es doch keine Gemeinsamkeiten geben und jeder der so etwas sagt sieht die Vergangenheit durch eine rosarote Brille - oder?

Dennoch gibt es eine reiche maurische Vergangenheit in Spanien - in der Architektur und in der Kultur. Anscheinend wurde da doch nicht jeder Maure achtkantig aus Spanien hinausgeworfen oder erschlagen - ebensowenig wie die Ungarn, Serben, Kroaten und Griechen jener Zeit alle unter dem Banner des Halbmondes erschlagen worden sind oder zur Konvertierung gezwungen wurden. Die "Besatzungszeit" waehrte jeweils mehrere Jahrhunderte - also viele, viele Generationen in welchen sich die beiden Kulturen trotz unzaehliger Unterschiede auch teilweise zu vermischen begannen und ein wenig voneinander uebernahmen. Und das waren eben die gleichen misstrauischen hinterwaeldlerischen und ungebildeten "Menschen in den entlegenen Doerfern" wie jene, die so gern hier als "allgemeines Bild" herbeizitiert werden.

Fazit: sicherlich gibt es oftmals ein schoenes, angenehmes Feindbild. Der durchschnittliche Kreuzfahrer wird sich nicht mit irgendeinem Mauren verbruedert haben auch wenn dieser an sich nur friedlich in seinem Dorf gelebt hat und den Kreuzfahrer gastfreundlich bewirtet hat. Er hatte eine andere Ueberzeugung, eine andere Motivation.
Letztlich ist es die Geschichte, die wie ueblich von den Siegern gemacht wird und die sicherlich ihre publikumswirksamen historischen Momente haben muss, in denen alles einfach und klar darstellbar ist - da ist der Feind, wir sind die Guten!

Und GENAU so KANN es einem Fantasy-Char ergehen. Das Land kann jahrhundertelang vor den Toren des Reiches X gelegen haben und staendig war man unter der Bedrohung von der Schergenhorde besagten Reiches - "alles Pluenderer und Raeuber!!". Aber mit der Zeit hat man etwas ueber seinen Stammfeind gelernt, die Sprache um ihre militaerischen Geheimnisse auch ergruenden zu koennen (zumindest in gewissen Kreisen) - und gegebenenfalls sogar Teile der Kultur. Vielleicht trieb man aber auch heimlich Handel um in den kargen Zeiten Gewinn mit dem "Feind" zu machen oder sich mit dem Notwendigsten zu versorgen. Oder man verliebte sich gar in diese maurische Schoenheit und zog mit ihr gegen alle Konfessionen fort und liess sich oeffentlich konvertieren obwohl an sich nur ein Zungenbekenntnis vorlag (der Stoff aus dem einige herzergreifende Dramen sein koennen).
Unsere Geschichte setzt sich aus unzaehligen Ereignissen zusammen - und das sind nur die namhaften - oftmals geschrieben von den heroischen Entdeckern, die die wilden Lande fuer Krone und Vaterland in Besitz nahmen aber dabei uebersahen dass dort seit einigen Jahrtausenden bereits Menschen lebten - die nur das Pech hatten, unterlegen im Kampf und eines anderen Glaubens zu sein.

Zu verkennen, dass es dabei noch eine andere Geschichte gibt, die nicht geschrieben steht - halte ich fuer falsch. Unsere heutige Kultur traegt die Zeichen einer ebensolchen Vermengung und grossartig anders waere es bei fiktiven Kulturen einer Fantasy-Welt nicht unbedingt. Und mehr sage ich nicht: es muss nicht immer einfach sein. Man kann sich fuer seinen Character durchaus auch ein bisschen komplexen Hintergrund ueberlegen - muss aber nicht. Und wenn man dann im Spiel auf etwas Unerwartetes, Unerklaerliches, Unbekanntes stoesst - kann man sicherlich erstmal draufschlagen und dann fragen - aber man kann es auch zu entdecken (im positiveren Sinne als "die Entdecker") versuchen. Risiko duerfte auf beiden Wegen liegen - aber welches sich nun mehr lohnt und welches nicht... - muesste man wohl sehen. Sonst haetten die portugieser Haendler wohl nicht ganz so gern mit einigen an sich wertlosen Glasperlen und Spiegeln wertvolle Gewuerze von den "Wilden Menschenfressern" erhandelt.

Japan ist nebenbei ein denkbar unguenstiges Gegenbeispiel - schliesslich hatten die begruendeten Bammel vor mongolischen Invasoren und damals nur dank "goettlicher Fuegung" Glueck gehabt dass deren Invasionsflotte im Sturm versank. Und als relativer Nachbar eines derart grossen Reiches wie des spaeteren China zu leben ist sicherlich auch nicht gerade angenehm. Deshalb ist es EINE Moeglichkeit sich abzukapseln und moeglichst nichts ueber das eigenen Volk nach draussen dringen zu lassen - aber diese Ausnahme faellt weltweit wohl historisch nicht unbedingt so schwer ins Gewicht dass sie Allgemeingueltigkeit aufweist.



Die Geschichte lernt nie aus sich selbst heraus - doch vermag sie Jene zu lehren, die auch dazu bereit sind, ihr zu lauschen.



Thema geschrieben von Datum/Zeit
IT Bekanntheit von "Monstern" aldoron 2004-06-12 20:41
Re: IT Bekanntheit von "Monstern" Kiras 2004-06-12 21:36
Weltoffene & Ängstliche Charaktere Thilo 2004-06-12 22:32
Re: Weltoffene & Ängstliche Charaktere Kiras 2004-06-12 22:41
"Monster" oder nur "fremdes Wesen" Thilo 2004-06-12 22:56
Re: "Monster" oder nur "fremdes Wesen" Tarel 2004-06-12 23:00
Re: "Monster" oder nur "fremdes Wesen" Kiras 2004-06-13 10:52
Re: "Monster" oder nur "fremdes Wesen" Bernd Neumann 2004-06-13 12:58
Re: IT Bekanntheit von "Monstern" Steffen 2004-06-13 00:23
Entwaffnende Ignoranz Egberth 2004-06-13 01:35
Re: IT Bekanntheit von "Monstern" Benji 2004-06-13 17:34
Re: IT Bekanntheit von "Monstern" Nicodemus 2004-06-13 11:10
Re: IT Bekanntheit von "Monstern" aldoron 2004-06-13 12:06
Re: IT Bekanntheit von "Monstern" Bernd Neumann 2004-06-13 13:36
Re: IT Bekanntheit von "Monstern" Nicodemus 2004-06-13 15:42
Re: seltsame Forderung Dirk Hiltner 2004-06-13 23:03
so historisch nicht ganz korrekt Rraurgrimm 2004-06-14 08:05
Re: seltsame Forderung Nicodemus 2004-06-16 19:44
Re: wie oft bist du (OT) einem Wolfsrudel .... Dirk Hiltner 2004-06-13 23:17
nicht ein Mal - aber: Rraurgrimm 2004-06-14 08:27
Re: nicht ein Mal - aber: Richi 2004-06-14 09:21
Erfahrungswerte? Rraurgrimm 2004-06-14 09:50
Re: Erfahrungswerte? Richi 2004-06-14 10:22
anscheinend beide missverstanden: Rraurgrimm 2004-06-14 10:55
Wer sind die wahren Monster? Richi 2004-06-14 12:45
stimme dem gaenzlich zu Rraurgrimm 2004-06-14 13:05
Aye (kt) Richi 2004-06-14 13:29
*edit* Doppelpost Rraurgrimm 2004-06-14 10:55
Re: Erfahrungswerte? Profoss 2004-06-16 08:42
Verfälschter Hintergrund T.S. 2004-06-16 09:03
Zustimmung wT Torben 2004-06-16 09:16
Re: In diesem Falle... Terandir 2004-06-16 09:21
Zustimmung Profoss 2004-06-16 09:32
Und hier auch noch mal wT Torben 2004-06-16 11:32
Auch hier Zustimmung kT Torben 2004-06-16 11:31
das verstehe ich nun nicht: Rraurgrimm 2004-06-16 12:04
Re: das verstehe ich nun nicht: Profoss 2004-06-16 12:27
dann wurde ich missverstanden Rraurgrimm 2004-06-16 12:39
Schlechte Beispiele¿ Voiceless 2004-06-16 12:52
Re: If you can't beat 'em... Terandir 2004-06-17 05:40
Der Einfluss scheint nicht bei jedem gleich zu sein Allan Wegan 2004-06-16 19:15
Hahaha, das ist von dir ja mal ein echtes .....Nerd-Posting. Pffft *wt* Drowschreck -versteht Dirk (H) 2004-06-14 09:27
ein wenig an meiner Antwort vorbei, hmm? Rraurgrimm 2004-06-14 09:41
naja T.S. 2004-06-14 10:40
wieder ein wenig oeberflaechlich: Rraurgrimm 2004-06-14 11:39
Unsinnig? Ash 2004-06-14 12:35
Re: Unsinnig? T.S. 2004-06-14 13:24
Re: Unsinnig? Ash 2004-06-14 14:11
gut T.S. 2004-06-14 14:37
pauschal gefragt: warum? (kt) Rraurgrimm 2004-06-14 14:39
Erklärung T.S. 2004-06-14 14:43
Re: Erklärung Ash 2004-06-14 14:56
Keine Sorge... Voiceless 2004-06-15 15:40
So gesehen... Ash 2004-06-16 08:19
Klassendenken Allan Wegan 2004-06-15 09:37
Re: IT Bekanntheit von "Monstern" Ash 2004-06-14 09:02
Ganz einfach... Robert Waldhans 2004-06-14 09:33
Re: Umso wichtiger... Terandir 2004-06-14 09:53
Re: Umso wichtiger... Robert Waldhans 2004-06-14 14:43
Re: Kann man das Unbehagen nennen? Terandir 2004-06-14 15:21
Was der Character über Monster weis Allan Wegan 2004-06-14 10:19
Wissen aus Sagen und Legenden Knick 2004-06-14 13:05
Als ich auf die Welt kam... Varric 2004-06-14 20:45
Ich liebe meine Vorurteile! Gerion 2004-06-22 10:11


In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
Powered by Phorum.