Fred (ja, genau DER) schrieb:
> Divergente Meinungen sind nunmal auch oft
> eine Provokation für den jeweils diametral entgegengesetzten
> Ansatz.
Ich frage mich nur, wo da das "diametral" herkommen soll. Alex Specht
schreibt
hier von einer "Gruppe von Leuten [die sich] nicht benehmen konnten und
jeden Spielstil, der nicht mit dem ihren kompatibel war, nicht nur
kritisierten, sondern die Vertreter auch regelrecht beleidigten, sich über
sie lustig machten und sie angriffen". Natürlich kommt in den Sinn, wer
mit dieser "Gruppe" gemeint sein dürfte, jedoch fällt es mir schwer,
mir vorzustellen, wie der Spielstil aussieht, der all diesen Leuten
gemeinsam sein soll und der so vehement von Anderen abzugrenzen sei.
In der vermutlich gemeinten "Gruppe" befinden sich Leute, die sich mit
historischer Ausrüstung wohlfühlen und dabei eine Präzision
entwickeln, mit der sie beim Reenactment besser aufgehoben wären. Es
gibt dort auch Leute, die sich Fantasykostüme nach Schnitten aus der
Goth-Szene fertigen. Es gibt dort Leute, die nur Bettelmönche oder
Bauern spielen. Es gibt dort auch heroische Ritter, hohe Adlige und
Heerführer ganzer Groß-Con-Lager. Es gibt dort Leute, die
pseudohistorische Szenarien schätzen. Es gibt dort auch Leute, die
sich gerne mit wandelnden Baumwesen prügeln. Es gibt dort vehemente
Verfechter von punktelosem Spiel, Anhänger üblicher Punkteregelwerke
und Leute, denen das Regelwerk schlicht egal ist. Es gibt dort Freunde
kleiner, familiärer Einladungscons und Leute, die begeistert auf
Massenveranstaltungen rennen. Es gibt dort Leute, die alle Ausrüstung
selbst anfertigen und Leute die alles kaufen oder für Geld machen
lassen. Derjenige, der meiner Meinung nach im Umfeld dieser "Gruppe"
den unerträglichsten Diskussionsstil besitzt, spielt einen
DragonSys-Magier, während der Mensch, den ich für seine Fähigkeit,
stets geduldig, relativierend und differenziert zu schreiben am
meisten Bewundere, eher in die punktelose, fantasy-arme Ecke paßt.
Langer Rede kurzer Sinn: wenn es dieser "Gruppe" tatsächlich um die
Ausgrenzung irgendwelcher Spielstile ginge, hätte sie sich schon lange
von innen heraus selbst zerfleischen müssen.
Ich kann die Kritik, die Alex vorbringt zwar nicht völlig von der Hand
weisen, denke aber, daß hier andere gruppendynamische Prozesse am Werk
sind, als nun gerade der Widerstreit von Spielstilen. Das Feindbild,
das in der Kritik konstruiert wird, existiert jedenfalls meiner
Meinung nach in dieser Form nicht.
Man sagt mir, der Zusammenbruch des Larpzeit-Forums müsse doch ganz in
meinem Sinne sein, manifestiere sich dort doch auf feinste Art und
Weise die von mir propagierte
"Teilung der LARP-Szene".
Diese Einschätzung verkennt allerdings wieder mal, was ich mit diesem
Schlagwort eigentlich gemeint hatte.
Es entstand als Erwiderung auf die Vermutung "wir wollen doch alle
dasselbe" und sollte zu einer differenzierteren Sichtweise
führen. Vordergründig ist die Sicht mittlerweile etwas differenzierter,
aber an die Stelle der großen Gleichmacherei ist Schubladendenken
getreten.
Ich werde gar nicht mal so selten auf DragonSys-Fantasy-Cons mit
großer Überraschung begrüßt, weil man mir nicht zutraut, solche
Veranstaltungen zu besuchen. Und als ich neulich ein Foto eines
Fantasy-Charakters aufgenommen habe, wurde mir unterstellt, das sei
ausschließlich aus Häme geschehen, damit sich die Gewandungsnazis über
das Kostüm amüsieren können [1].
In Forumsdebatten werden bestimmte Standpunkte oder Motivationen
unterstellt, wenn sich jemand schon mal als einem bestimmten "Lager"
zugehörig erwiesen hat. Die Berechtigung, bei bestimmten Themen
mitzureden, wird auf Basis der vermeintlichen Lagerzugehörigkeit
aberkannt. Diskussionen verhärten sich immer wieder entlang
bestimmter Linien und Leute werden in Fraktionen einsortiert, die
homogener erscheinen, als sie es sind. Diese Fraktionen liefern
dabei griffige Feindbilder, aus denen sich auch Einschätzungen auf
persönlicher Ebene ableiten lassen.
Die Differenzierung hat nichts zum gegenseitigen Verständnis
beigetragen. Früher beschimpfte man sich, weil man das diffuse Gefühl
hatte, der andere habe "das LARP" irgendwie nicht richtig verstanden,
heute beschimpft man sich, weil der andere vermeintlich einer anderen
Fraktion angehört. Die Grabenkriege sind nicht verschwunden, sondern
die Gräben haben jetzt sogar Namen.
Das Schlagwort von der Teilung hat in der Tat bewirkt, daß man die
Gegensätze wahrnimmt, was durchaus meine Absicht war. Leider wird sich
mittlerweile allerdings mehr auf die Gegensätze konzentriert, als auf die
Gemeinsamkeiten, was ich sicherlich nicht beabsichtigt habe und durchaus
zuweilen bedauerlich finde.
Damals habe ich mal geschrieben: "das Problem ist m.M.n., daß man
keine Kompromisse eingehen kann, bevor man sich klar gemacht hat, daß
es unterschiedliche Positionen gibt, die einen Kompromiß erforderlich
machen."
Daß es unterschiedliche Positionen gibt, scheint sich mittlerweile
herumgesprochen zu haben. Von den Kompromissen ist man aber offenbar
noch genausoweit entfernt, wie damals.
Tschüß,
Ralf
[1] Ich hoffe aufrichtig, der betreffende Spieler freut sich über das eigentlich recht gelungene Bild.
Nachricht bearbeitet (Thu 16.11.06 13:22)
--
Die LARP-Foren lügen!