Torben schrieb:
> Nichtsdestrotrotz spiele ich Larp, und wenn ich im Larp einen
> Gegner mit dem Schwert erschlage, dann ist diese Spielhandlung
> meines Erachtens nur in sehr geringem Maße "abstrakt, künstlich
> und ritualisiert" - ich schlage mit dem Schwert auf ihn ein,
> und er geht schreiend zu Boden und windet sich dann vor
> Schmerzen; was ist daran abstrakt?
Alles.
Um es ganz leicht verständlich zu formulieren: Dabei geht es um Schwertschwingen, nicht Gewaltausübung.
Wer schonmal Räuber-NSC war kennt das wahrscheinlich:
Phase 1: Schwerter werden gezogen, es wird gemoscht, die Räuber verlieren.
Phase 2: Die verwundeten Räuber werden geheilt und zusammen mit den Gefangenen nach einem "So aber nicht" laufen gelassen.
Die unterschiede zu echter Gewalt sind gravierend:
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Sie richtet sich nicht gegen Personen. Larp-Charaktere sind keine Personen, bestenfalls Konzepte.
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Die mit Gewalt verbundenen Gefühle sind abwesend. Es wird kein Hass, keine Wut, keine Angst, keine Verachtung etc. empfunden.
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Sie hat keine Folgen. Das einzige daraus resultierende Leid ist möglicherweise das Verzichten eines Spielers auf das Weiterspielen eines Charakters. Im Idealfall wird das durch Spannung, Heldentod und Begräbnisspiel aufgewogen.
Larp-Charaktere besitzen keine Angehörigen (NSCs sowieso nicht), generell bleibt der Tod eines Charakters für die Spielwelt folgenlos.
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Sie hat keine Ursachen. Sie beruht fast allein darauf, dass Personen spielen wollen.
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Sie wirkt nicht echt. Und das tut die meiste Gewalt in Filmen und Computerspielen auch nicht. Wer das nicht glaubt kann sich ja mal die Bilder anschauen, die nicht in den Nachrichten gezeigt werden, und die mit den Eindrücken aus Film und Computerspielen vergleichen. Die Unterschiede halte ich wie Daelan für offensichtlich.
Selbst Kunstblut ändert daran nichts. (Aber der Effekt, der Kunstblut auf sensiblere Menschen haben kann zeigt, wie weit von der Wirklichkeit entfernt die üblichen Larp-Kämpfe schon sind.)
> Ein nicht-larpender
> Zuschauer weiss sofort ohne Vorkenntnisse, was da dargestellt
> wird, also ist doch die Spielhandlung eher konkret und
> lebensnah?
Das Argument halte ich für nicht schlüssig.
Wenn ich mir eine Weste mit der Aufschrift "Polizei" anziehe weiss auch jeder was ich darstellen will...
Judo wäre demnach auch Gewaltdarstellung?
> Die im Vampire-Live wohl üblichen
> Schnick-Schnack-Schnuck-Spielchen sind in meinen Augen
> abstrakt, der Larpkampf hingegen kaum.
Schnick-Schnack-Schnuck ist noch abstrakter. Mehr auch nicht.
> Aber gehen wir einen Schritt weiter, wenn gespielte Gewalt
> "abstrakt, künstlich und ritualisiert" ist, dann müsste sie ja
> auch austauschbar sein gegen andere Handlungen. Aber wenn dem
> so ist, warum gibt es bei den unzähligen reaktionsorientierten
> Computerspielen, die weltweit gespielt werden, so viele
> Ego-Shooter?
Warum Kampf Spass macht und ein Bestandteil vieler Larps ist habe ich versucht
an dieser Stelle des Threads aufzuzeigen.
Dass man diese Punkte auch ohne Kampf erfüllen kann halte ich für prinzipiell möglich. Wie dies bei gleichem Aufwand und gleicher Spielerbeteiligung aussehen könnte wüßte ich erstmal nicht.
Ansonsten sei noch auf diesen
Artikel in der FAZ verwiesen - "Computerspiele" einfach durch "Larp" ersetzen.
> Wenn es nicht um die Darstellung von Gewalt geht, müsste es
> doch noch viel mehr andere Spiele geben, die Alternativen dazu
> bieten, sich gegenseitig mit Pistolen, Gewehren und Granaten
> dahinzumetzeln. Da dem aber nicht so ist, schlußfolgere ich,
> dass die Leute diese Spiele spielen, weil sie diese
> gewalttätigen Szenarios spielen wollen.
Vielleicht liegt es auch eher an den dahinterliegenden Motivationen? (siehe wie gesagt
anderer Post ) Die lassen sich mittels "Kampfspielen" recht einfach unter einen Hut bringen. Wieder die Gegenfrage: Wie würde eine Alternative aussehen?
> Wenn aber die Gewalt in den Szenarios einer der entscheidenden
> Punkte für das Interesse an ihnen ist, ist es unlogisch zu
> behaupten, man interessiere sich gar nicht für die Gewalt.
Ich habe versucht darzustellen, dass die "Gewalt" an sich nicht Ziel der Übung ist (vgl. dazu auch den Anfang dieses Posts), sondern eher der Umsetzung von bestimmten Spass-Faktoren dient (einige davon halt im anderen Post).
Entsprechend halte ich auch Deine Schlussfolgerungen für falsch, insbesondere das "Gewalttrieb ventilieren" - es sei denn, Du meinst damit schlicht nur Austoben.
Davon abgesehen ist die These "Ausleben von Gewalt verringert das Gewaltpotential" meines Wissens nicht wissenschaftlich belegt.
Mit freundlichen Grüßen,
Rufus