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Psychologisch-Kultrurelle Überlegungen [Achtung, abenteuerliche Thesen]
geschrieben von: T.S.
Datum: 2005-08-24 10:31

(Achtung dieser Eintrag enthält geradezu absurde Verallgemeinerungen, Mutmaßungen und Folgerungen, stellenweise zu humoristischen Zwecken, wer alles mit der Goldwaage gewogen haben muß damit es ihm schmeckt, der braucht gar nicht weiterzulesen)

:Das jetzt als das einzig wahre hinzustellen ist weltfremder Blödsinn und nicht die Regeln sind das problem sondern die Menschen, die sich ohne Regeln nie einigen können.

Nach den Kämpfen auf dem CoM05 Larp muß ich sagen, daß mir Rüstungspunkte im Kampf sinnloser vorkommen als je zuvor. Selbst der Wettbewerb scheint mir keine Rechtfertigung mehr zu sein.
Früher, als ich grad mal eine beschlagene Lederrüstung und nen Helm hatte und Scharmützel 10 gegen 10 das höchste der Kampfgefühle waren, da schein mir son Zeug sinnvoll, weil man es bestens zählen konnte.
Aber heute in Riesenschlachten 500 gegen 500 in voller Rüstung von Kopf bis Fuß mit Rüstungspunkten, die aus Ohren, Mund und Nase triefen kann man Zählen vollkommen vergessen.

Ich habe auch an mir selbst und an den Leuten in meiner Gruppe einen Effekt beobachtet, der besser ist als gezählte Schutzpunkte, ich nenne ihn mal "Ehreneffekt", und der geht so:

Wir hatten auf dem CoM05 viel mehr Rüstungspunkte, als wir benutzt haben. Irgendwann fühlt es sich einfach nicht mehr richtig an weiter zu kloppen, man bekommt ein schlechtes Gewissen, daß man noch steht, und man läßt sich fallen, damit man sich nicht vorkommt wie ein Regelfeilscher. (obwohl man vielleicht grad mal die Hälfte der Punkte ausgeschöpft hat)
Je nachdem ob man grad viel oder wenig Rüstung anhatte ließ man sich früher oder später fallen.

Aus diesen Erfahrungen, mein Vorschlag für ein alternatives Rüstungssystem:

Man bewertet Rüstung durchaus mit Punkten. Allerdings nicht mit Schutzpunkten, sondern mit einer Art Gewichtungspunkten(am besten absurd hohe/krumme Zahlen, damit keiner auf die Idee kommt die als Trefferäquivalente zu sehen). Man gibt den Rüstungen keine Zahlenwerte, wieviel sie denn tatsächlich aushalten.

Man führt drei Zustände ein: Wenig (z.B. 124) - Viel (195) - Sehr Viel (326)

Wozu die Zahlenwerte fragt der geneigte Leser?
Naja, also ich wage mal zu behaupten, daß, da wir alle(real) im selben Land leben(außer den Schweizern) und der selben Kultur angehören, wir gewisse in der Luft schwebende Merkmale und Traditionen eingeprägt bekommen haben, die uns unterbewußt leiten, aber die sich deswegen durchaus nutzen lassen könnten.
Im Fall von uns Deutschen ist es (tendenziell, bitte nicht auf die Goldwaage legen, wie gesagt!) relativ hohe Autoritätshörigkeit, "Anstand/Sittlichkeit", aber positiverweise wiederum daraus resultierende "Ehrlichkeit/Gehorsam/Disziplin".
Will sagen:
Wenn wir von einer offiziellen Stelle gesagt kriegen, was "anständig" oder "richtig" ist, dann halten wir uns da (tendenziell) mit ziemlicher Sicherheit dran, auch wenn keiner guckt, weil wir sonst ein schlechtes Gewissen kriegen unanständig zu sein.
Ich behaupte jetzt nicht, daß wir alle stocksteife, biedere und gehorsame Musterpreußen seien, aber die Tendenz ist da, vor allem wenn sich Leute in einer unsicheren Situation befinden, wo sie instinktiv handeln müssen.
Die meisten würden z.B. in Fragen der Biologie eher einem Biologieprofessor mit Bestätigungsrkunde seiner Identität glauben, als irgendeinem redegewanden Niemand der das Gegenteil behauptet.
Ebenso glauben die Leute beim Larp einem, der sich als "SL" ausgibt so ziemlich alles. Der Ruf nach "Die SL hat immer und überall Recht!!!" kommt ja nicht von ungefähr. Daß die Person überhaupt "Spielleiter" heißt und nicht "Schiedsrichter" oder "Ratgeber" spricht wohl Bände über inhärente Obrigkeitshörigkeit. Einen Hauptmann von Köpenik kann man im Larp locker abziehen, als SL verkleidet, siehe Ralf Hüls und die Oschenheimbestätigung.

Wie dem auch sei, eine "offizielle" Bewertung aller Dinge nach "gut oder schlecht", "viel oder wenig", "richtig oder falsch" ist in unserer Kultur oft unumgänglich weil dringend erwünscht.
Der DKWDDK Ansatz "Du hast den Vorteil eines Ermessensspielraums, aber deswegen können wir dir auch nicht eindeutig sagen, wo die Grenzen sind." läßt den (wenn auch unbewußt) verzweifelt nach personifizierter/kodifizierter Autorität Suchenden hilflos allein und behagt ihm daher nicht sondern verwirrt ihn.
Punktesysteme dagegen schöpfen bei der Autoritätssehnsucht aus dem Vollen, man weiß, was Sache ist, man weiß, wann man im Recht ist und man fühlt sich sicher und gut.

Hier mal ein Einschub zur Schummelei:
Meines Erachtens schummelt so gut wie nie jemand um mutwillig zu gewinnen. Niemand kassiert mehr Treffer als erlaubt in der Absicht irgendwas tolles zu erreichen. Der Deutsche an sich ist in der Tat sehr, sehr anständig. Aus niederen Motiven wie Gewinnsucht wird einfach, entgegen allgemeinem Glauben, (zumindest im Larp)nicht geschummelt. Jeder schummelt, wenn, dann nur um seine Haut zu retten. Geradezu Mundraub aus dem Schutzpunktelager.
Es wird im Privaten geschummelt still und heimlich, idealerweise erfährt niemand etwas davon.
Im Schummeln liegt keine Ehre, kein Gewinn. Schummeln um zu gewinnen lohnt sich nicht, weil man bei den "Anständigen"(und jeder tut sein bestes um einen anständigen Ruf zu bewahren, auch wenn er mal den besagten Mundraub begeht) einfach nicht damit prahlen kann und nur seinem Ansehen schadet. Es gibt keine Betrugskultur, wenn man das so sagen kann.
Organisierten Betrug oder Betrugsversuche gibt es daher erst recht nicht, was immerhin eine respektable Leistung ist.
Dagegen wird leider natürlich offensichtlicher Betrug/Regelbruch, wenn von der SL sanktioniert, mehr als bereitwillig hingenommen, geradezu religiös verteidigt. Man denke nur an irgendwelche Zauberartefakte/Sonderfähigkeiten/Erfahrungspunkte die einer von einem Larp ins andere schleppen will.

Aber zurück zu Punkten vs. DKWDDK.
DKWDDK ist nun das eindeutig praktikablere System und geradezu wie gemacht für den "Anständigen", der auch dann der Order folgt, wenn keiner hinsieht, vielleicht funktioniert es ja gerade deswegen hier besonders gut, wenns erstmal ins Rollen kommt. Damit es ins Rollen kommt, muß allerdings schon eine große Basis da sein, müssen viele Diskurse geführt werden und viele Einsichten getan. Und das im Zweifel immer wieder von neuem, wenn man nicht mit einem kleinen harten Kern überzeugter Idealisten verbleiben will. Der Große Vorteil, ist daß sich keiner betrogen fühlt, sondern den anderen im Zweifel lediglich als "unanständig" empfindet, damit aber durchaus im Wissen um seine moralische Überlegenheit leben kann, da der andere regeltechnisch ja nichts verbotenes macht ist auch niemand erzürnt.

Punktesysteme sind dagegen im Spiel selbst äußerst unpraktikabel, weil realitätsfremd im Bezug auf die praktischen technischen/geistigen Möglichkeiten konzipiert(mal ganz abgesehen von der Sinnhaftigkeit der tatsächlichen Werte), aber geradezu Ideal um einen gewünschten Konsens mit minimalem Aufwand in kürzester Zeit klar und verständlich zu verkünden und damit eine Art "Rechtssicherheit" zu schaffen. Die "Anständigen" hat man mit einer klaren Verkündung schnell auf einen Nenner gebracht und keiner fühlt sich betrogen oder hintergangen, weil man durchaus auf die Anständigkeit der anderen vertraut(zurecht, wie ich meine) sich an den Konsens zu halten, es herrscht ein Gefühl der Fairness.
Der Nachteil ist natürlich, daß die Leute zwar annehmen, daß man sich generell an den groben Konsens halte, aber sehr schnell jemanden finden, den sie persönlich des Betrugs verdächtigen, was einen gewaltigen Zorn auslöst, werden hier doch eindeutig Regeln gebrochen. Man glaubt zwar ans System, aber man traut ausgerechnet(oder gerade) dem Nachbarn nicht.

Daher wäre eine Mischung der Stärken der beiden Konzepte eine Ideallösung. Sie würde Praxistauglichkeit bieten und dabei dem Grundwesen der Spieler entsprechen, wäre also leicht zugänglich. In der Praxis geschieht das so oder so bereits, nur will irgendwie keiner das offiziell anerkennen.

Mal konkrete Beispiele:

Wenn jemand nun ein leichtes Polsterwams (sagen wir 70 Punkte) anhat, dann hat der einfach "wenig" Schutz.
Was er draus macht ist seine Sache, aber er soll eben im Hinterkopf behalten, daß er "wenig" Schutz hat.
Jemand, der weiß, daß er "offiziell" (und es wird ihm hochoffiziell per versiegeltem und gestempeltem Spielleiterdekret auf Wunsch mit persönlicher Ansprache vom SL Balkon mitgeteilt) "wenig Schutz" hat, der wird einfach nicht lange rumspringen. Als anständigen Deutschen(und selbst der letzte Anarchist im besetzten Berliner Wohnblock ist im tiefsten Grunde ein "anständiger Deutscher") werden ihn früher oder später Schuldgefühle dazu zwingen umzufallen. Es funktioniert, man muß einfach nur oft genug draufhauen.

Hat jemand dagegen "viel" Schutz, wird er durchaus eine Weile stehen, aber auch er kann seiner kulturellen Prägung nicht entkommen. Irgendwann ist auch "viel" zuende und der Betreffende fällt um.

Jemand, der "sehr viel" hat, wird nur in den seltensten Fällen umfallen. Angesichts der Rüstungsmengen die zu einem "sehr viel" befähigen ist das aber durchaus nicht unrealistisch und löst mehr oder weniger intuitiv die Absurdität, daß man mit Kurzschwertern Plattenpanzer kleinhacken kann.

Man muß es mal so sehen:
Statt zu versuchen die Leute zu zwingen sich an willkürliche, unerfüllbare und teils unsinnige Regeln zu halten, bei denen sie dauernd Betrug argwöhnen, weil sie meinen alles Berechnen zu können kann man die Leute auf ihren gegenseitigen Anstand vertrauen lassen, und im Notfall halt auf ihren Stolz anständiger als der andere zu sein. Der Ermessenspielraum, den man dafür läßt sorgt dafür. Der Kontrollmechanismus der kulturellen Prägung wird einfach nicht versagen, keiner kann dieser Prägung entkommen.

Auf der anderen Seite bietet man ihnen aber die Richtlinien und Vorgaben, die sie einfach brauchen um in größeren Gruppen von Leuten die sich nicht kennen zusammenzuarbeiten und sich zu verstehen. Man bietet hochoffizielle Legitimation. Gerade Anfänger oder Jüngere können solche Hilfen gut gebrauchen.

Statt daß die Leute glauben ein Anrecht auf sichere 10 Rüstungspunkte(In Brüssel gewogen, genormt und mit EU-Kontrollsiegel von der Rentenkasse garantiert) beim Gegner zu haben und ihn nach abziehen dieser mit dem 1 Schadens-Schwert (TÜV-geeicht auf genau 1,0000001 Waffenschaden) umnieten zu können sollen sie hochoffiziell vom preußischen Luftfahrtsministerium unter Beisitz dreier Notare und diverser Religionsvertreter gestempelt bekommen, daß ihr gegenüber "wenig", "viel" oder "sehr viel" aushält.

Komplett hirnlos sind wir ja nun auch wieder nicht in diesem Lande, das Gehirn wird halt lediglich erst nach Erlaubnis eingeschaltet.

Ich habe absolut keine Zweifel daran, daß im Falle einer Einführung von DKWDDK(mit besagten Hilfspunkten) per Kaiserlichem SL-Dekret auf einem Großlarp, begleitet von offiziellen Weisungen, Ratschlägen und Glückwünschen ihrer Majestät, wie denn nun nach diesem DKWDDK offiziell zu spielen sei, die Leute bestens damit arbeiten könnten.

T.S.

PS:
Achja, natürlich müssen alle Angelsachsen, diese habgierige und anstandslose Betrügerbande, von sämtlichen heimischen Veranstaltungen ausgesschlossen werden. ;)



Nachricht bearbeitet (Wed 24.08.05 12:33)

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Alle umlegen, soll die SL sie aussortieren!




Thema geschrieben von Datum/Zeit
Taktik und Logik im LARP-Kampf Reinhard 2005-08-18 09:37
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Seegras 2005-08-18 09:44
Bin auf deiner Seite. Bolle 2005-08-18 10:35
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf kelvyr 2005-08-18 10:08
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf FinLaure 2005-08-18 13:09
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Torben 2005-08-18 13:17
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Axel aka Daralec 2005-08-18 14:54
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Daelen 2005-08-18 15:01
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Axel aka Daralec 2005-08-18 15:07
Auf jeden Fall (wT) Daelen 2005-08-18 15:37
Re: Auf jeden Fall (wT) Axel aka Daralec 2005-08-18 15:44
Re: Auf jeden Fall (wT) Voiceless 2005-08-18 17:00
schliese mich an Daelen 2005-08-18 17:24
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Seegras 2005-08-19 06:25
Landesmacht Elmar 2005-08-18 15:37
Re: Landesmacht Axel aka Daralec 2005-08-18 15:45
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Reinhard 2005-08-18 16:33
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Axel aka Daralec 2005-08-18 16:47
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Mafu 2005-08-18 16:34
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Thalmann 2005-08-18 17:31
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Torben 2005-08-18 17:44
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Thalmann 2005-08-18 19:31
es nimmt teils absurde Ausmaße an T.S. 2005-08-18 20:08
Re: es nimmt teils absurde Ausmaße an Kiras 2005-08-19 05:07
Re: es nimmt teils absurde Ausmaße an MichaelR 2005-08-19 08:26
Re: es nimmt teils absurde Ausmaße an Seegras 2005-08-19 10:06
Re: es nimmt teils absurde Ausmaße an Kiras 2005-08-19 10:12
Psychologie Varric 2005-08-19 11:07
Re: es nimmt teils absurde Ausmaße an Reginald 2005-08-19 07:25
Re: es nimmt teils absurde Ausmaße an Stephan*Harald* 2005-08-19 07:55
Teils, teils... Varric 2005-08-19 08:09
Re: es nimmt teils absurde Ausmaße an Gänsekiel 2005-08-19 12:21
also... Dimo Myriofytou 2005-08-19 12:24
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Gast_ 2005-08-22 14:04
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Seegras 2005-08-22 14:46
"auf rigide Treffersystem zu verzichten wäre wesentlich effizienter" Gonzago der Greuliche 2005-08-22 15:00
Re: "auf rigide Treffersystem zu verzichten wäre wesentlich effizienter" Terandir 2005-08-22 15:16
Hoffnungslose Idealisten Varric 2005-08-24 07:40
Psychologisch-Kultrurelle Überlegungen [Achtung, abenteuerliche Thesen] T.S. 2005-08-24 10:31
Re: Psychologisch-Kultrurelle Überlegungen [Achtung, abenteuerliche Thesen] Der Grischan 2005-08-24 15:08
Re: Taktik und Logik im LARP-Kampf Gast_ 2005-08-23 11:24


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