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Sicher nicht
Datum: 2006-01-01 17:19
Hi,
ich glaube, Reenlarpment ist eine der interessantesten Neuerungen der letzten zwei Jahre.
Sicher ist das Freigenossen-Con ausgefallen, was aber eher an der zeitlichen Nähe zum Großen Turnier und daran lag, daß es noch sehr wenige gibt, die überhaupt wissen, daß es Reenlarpment überhaupt gibt. Aber auf der anderen Seite gibt es auch eine sehr rege und stetig wachsende Spielerschaft im Bereich 1880 Reenlarpment und ich denke, daß Cons wie das Große Turnier, die ich mal als Reenlarpment-Light bezeichnen würde, das Ihrige tun werden, um Spielern die Schwellenangst zu nehmen. Der Wunsch danach, Cons ohne die 08/15-Fantasy-Versatzstücke, die gleichzeitig ein sehr hohes Kostümniveau und einen sehr homogenen Kostümrahmen zeigen, scheint, wie das Große Turnier zeigt, sehr hoch zu sein.
Natürlich haben viele Larper erst einmal Angst vor solch einem Konzept, ganz einfach, weil es mit einem riesigen Wust an Arbeit verbunden scheint und tatsächlich sicher auch zumindest mit einem gewissen Maß an Arbeit verbunden ist.
Da ist zunächst mal das Anfertigen oder Besorgen entsprechend periodengerechter Kostüme. Die müssen zwar tatsächlich nicht -A- sein (warum das Gegenteil ein Irrtum ist, kommt später) aber zumindest den Stil der bespielten Zeit einfangen, um ein geschlossenes Bild zu erzeugen. Ob Schuhe und Hose dann handgenäht oder die Ärmel komplett oder nur teilweise angenestelt gehören, ist dann aber unwichtig.
Viel aufwändiger ist dagegen der Charakterbau. Dabei ist nicht so sehr das Einzelschicksal kompliziert (außer "Eltern von Drow/Orks erschlagen" geht eigentlich jedes larpgewöhnliche Schicksal und selbst das Eingangsbeispiel kann durch Austauschen der larpigen gegen periodengerechte Finsterlinge wie Slawen, Sarazenen, Hussiten, Burgunder, Schweizer oder Türken reenlarpmenttauglich gemacht werden) als das, was der Charakter so über seine Zeit weiß. Da ist zum einen der feststehende geschichtliche Hintergrund von Daten und Fakten, die nun mal gegeben sind (wenn ein Con 14dunnemals spielt ist nunmal X Kaiser und nicht Y oder Z und Burgunder zu sein macht einem im bspw. von den Freigenossen bespielten Teil des Schwarzwaldes keine Freunde) zum andern aber auch der Background von Sitte und Lebenseinstellung vor deren Hintergrund sich der Charakter bewegt und dem der Charakter unterworfen ist. Sich diesen zu erarbeiten erfordert schon etwas Mühe, wird aber damit belohnt, einen wirklich realistischen Charakter vor einem Hintergrund spielen zu können, wie er reichhaltiger und detaillierter nicht sein kann. Außerdem macht das Erarbeiten dieses Hintergrundes ja wohl auch durchaus Spaß, wenn man bedenkt, daß der eine oder andere Larper ja auch das ein oder andere Buch zu solchen Themen im Schrank stehen hat.
Die beiden gewaltigsten Irrtümer im Hinblick auf Reenlarpment sind m.E. einererseits, daß die Kleidung absolut authentisch sein muß und andererseits, daß es beim Reenlarpment keinerlei Fantasy-Versatzstücke gibt.
Die Idee des Reenlarpment kommt ja durchaus von zwei Seiten, nämlich einerseits von vornehmlich Larpern, die ein gewisses stimmiges Ambiente anstrebten und andererseit von vornehmlich Living-History-lern, die auch mal was anderes sein wollten, als lebendige Kleiderständer und Museumsstücke und den Gedanken hatten, daß das bloße genaue Nacharbeiten und Benutzen von Realien für sich genommen recht wenig Gewinn im Hinblick auf das eigentlich interessante Objekt, nämlich den Menschen in seiner Zeit, bringt. Insofern reicht es tatsächlich aus, in der Kleidung und den verwendeten Gegenständen lediglich den Stil der Zeit einzufangen, da hierdurch optisch ein geschlossenes Ambiente erreicht wird und es für das Leben der Menschen im Rahmen eines Cons keinen Unterschied macht, ob sie nun eine historisch korrekte oder aber eine Rollschnalle verwenden und ob die Schuhe nun eine Leder oder aber eine Gummisohle haben.
Fantasy gibt es (abhängig von der bespielten Zeit) im Reenlarpment zu Hauf. Man muß bedenken, daß das, was wir heute als Sagen, Legenden oder Aberglauben betrachten, für die Menschen seinerzeit Realität war. Natürlich gab es für den Menschen im 15. Jhdt. Hexen und kaum jemand zweifelte daran, daß die Menschen auf dem Scheiterhaufen dort zu Recht standen (wenn man sich einmal intensiver mit dem Thema beschäftigt, wird man sehen, daß zum Teil selbst diejenigen auf dem Haufen davon überzeugt waren). Das Wirken des Teufels war allgegenwärtig, wenn man ein Problem mit der Manneskraft hatte, halfen Amulette, natürlich hatten Wegkreuzungen eine magische Potenz und wer nicht daran glaubte, daß da der alte Köhler umging, war ein Depp, der Offensichtliches ignorierte.
Gut, diese Form der Fantasy ist keine "heroische" oder "epische" dafür aber volksverbunden und erdnah. Wem es also um eine Wiederentdeckung des Magischen und Mystischen geht, wird dabei gut aufgehoben sein. Für diejenigen, die am Salvatore-Reenactment Freude, ist es allerdings eher nichts.
Ich denke daher, daß Reenlarpment durchaus ein durchaus dicker Ast sein wird, in den sich das "klassische LARP" aufspalten wird. Derzeit steht dies noch am Anfang aber mit der Verbreitung von "High-Ambiente"-Cons wie dem Turnier und "High-Quality"-Gruppen wie dem Cer. Fähnlein und Teilen des Großen Heeres wird die Schwelle für diese Art von Cons immer weiter gesenkt werden.
Bis denn
Dirk