Ich denke, dass das Problem darin liegt, dass ein Con (im Gegensatz zu einem Händler) auf freiwillige Helfer angewiesen ist, d.h. auf noch viel mehr Leute als nur die SL/Orga, die sich den Allerwärtesten aufreissen.

Und es steht natürlich zu befürchten, dass all die freiwilligen Helfer eben nicht freiwillig ihre Zeit und auch Geld investieren, wenn sie das Gefühl haben, dass die Orga dadurch einen persönlichen Gewinn erzielt. Ich denke mal, das ist das Damokleschwert, das über den Köpfen einiger "professioneller" Orgas schwebt und weshalb der Begriff "Komerziell" in Verbindung mit Orgas den "Jehova Jehova!" Effekt hervorruft.

Aber prinzipiell gebe ich dir schon recht, eine gewisse "Persönlichkeitsspaltung" in diesem Bereich ist schon zu bemerken. Einerseits wird Kommerz verflucht, andererseits ist man natürlich über die zahllosen komerziellen Ausstatter froh.

Ich habe mich auch schon vor längerer Zeit mir Vertretern der "komerziellen" Rollenspielbranche auseinander gesetzt (ja, nicht nur DBErben und Twilight wurden zu Gesprächen mit RPG-Verlagen eingeladen ;-) und dort in teils sehr offenen und interessanten Diskussionen meine Meinung zum Thema komerzialisierung der LARP-Szene vertreten. Ich denke nicht, das es mit "herkömmlichen" LARPs wirklich möglich ist, Geld zu machen. Über die finanziellen Gewinne eines Gross-Cons ala Drachenfest & co kann ich nichts sagen, da bleibt sicherlich auch der eine oder andere Euro übrig.. allerdings bin ich auch da der Meinung, das trotzdem eine sehr große Portion Idealismus dazugehören muss, wenn man es nur ganz nüchtern aus der komerziellen Richtung einer Rollenspiel-Firma, die damit Geld verdienen möchte, betrachtet, gibt es sicherlich einfachere und effizientere Möglichkeiten, zu Geld zu kommen (zumal der Markt für solche Groß-Cons auch durchaus begrenzt ist, mehr als 1-2 solcher Veranstaltungen pro Jahr verträgt die deutsche LARP-Szene meiner Ansicht nach nicht).

Wo ich persönlich ein gewisses komerzielles Potential sehe, ist bei LARP-ähnlichen Veranstaltungen etwas anderer Art, nämlich den "Murder Mystery Adventures", wie sie z.B. in Amerika schon recht verbreitet ist. Das ist eine Art Mini-1-Abend LARP (Manchmal auch über ein Wochenende) mit vorgegebenen Charakteren (meistend < 50 Spieler, eher weit weniger), bei denen es meistens darum geht, einen Mord aufzuklären. Vom Genre her sind diese "LARPs" meistens entweder in der Neuzeit oder Anfang des 20ten Jh. angesiedelt. Also so eine Art Live-Cluedo.
Vorteil dieser Veranstaltungen sind, dass man zum einen mit sehr wenigen bis gar keinen NSC auskommt. Der Orga-Aufwand ist relativ gering, da man ein einmal geschriebenes "Adventure" beliebig oft an hintereinander folgenden Wochenenden mit immer wieder neuen Spielern durchführen kann. Das Kundenpotential ist größer, da man im Gegensatz zum Liverollenspiel "ganz normale" Menschen für solche Abenteuer gewinnen kann, d.h. diese Spiele passieren völlig losgelöst von irgendeiner Szene sondern man bucht halt einfach so ein Murder Mystery für eine Firmenfeier, den Geburtstag des Onkels oder meldet sich einfach für einen Samstag dazu an, anstatt ins Kino zu gehen.
Für die Verlage bieten diese Spiele den Vorteil, dass sie vorgefertigte Murder Mysteries verkaufen können. Ist in Amerkia schon gang und gebe, dass man sich im Rollenspiel-Laden eine "Murder Mystery Adventure" Box kauft. Darin sind dann die vorgefertigen Charakterbeschreibungen für die Spieler, manchmal sogar die Einladungsbriefe, eine Beschreibung des Plots für die SL, Anleitung zum Bau von Requisiten, Kostümvorschläge usw.. also alles, was Hänschen Müller braucht, um am Wochenende für seine Freunde so ein Murder Mystery Adventure zu organiseren.

Ich wage einfach mal die Prognose, dass sich diese Spiele in den kommenden Jahren auch in deutschland etablieren werden, und man dann so den einen oder anderen Namen aus der jetzigen LARP-Szene evtl. auch in diesem Bereich wiederfinden kann. Ich weiss von meinen Gesprächen mit den Rollenspielverlagen, dass es da durchaus vage Pläne in diese Richtung gibt und auch der eine oder andere "professionelle" LARP-Veranstalter sich schon mal Gedanken in diese Richtung gemacht hat. Liegt ja auch irgendwo nahe, die Erfahrung, die man im organisieren von Fantasy-LARPS und dem Schreiben von Plots hat, dahingehend zu nutzen.

Ich für meinen Teil bin auf jeden Fall gespannt, wie sich die LARP-Szene in Zukunft verändert. Eine Komerzialisierung wird nicht aufzuhalten sein, auch wenn sie sich nicht in allen Bereichen durchsetzen wird. Ein paar alte Idealisten werden immer noch von "damals" erzählen, als Fred noch jund & knackig und LARP noch völlig unkommerziell war.. und Liverollenspieler noch ohne die Hilfe von Anwälten kommunizieren konnten (eine Erfahrung, die ich, wie schon geschrieben, leider auch machen musste). Eine Spaltung der LARP-Szene in einen idealistischeren und einen konsumorientierteren Teil ist meiner Meinung nach heute schon zu beobachten (ein Urgestein der LARP-Szene nannte sie vor einigen Tagen bei einem Telefonat mit mir die "nächste Generation"). Und last but not least .. für beide Gruppen gibt es genügend Veranstaltungen, auf denen sie sich wohlfühlen (und die findet man natürlich alle auf <werbung>larpkalender.de</werbung>.

ciao.. Thilo
www.larpkalender.de