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[Polemik] Der Fluch von Burg Hexenfels
geschrieben von: Daniel Jungblut
Datum: 2006-10-29 19:28

Kennzeichen von Polemik sind oft scharfe, „unverblümte“ Äußerungen, selten auch persönliche Angriffe, keineswegs jedoch der Verzicht auf sachliche Argumente. Häufig wird in der Polemik mit den Mitteln der Übertreibung, der Ironie und des Sarkasmus gearbeitet oder vom Strohmann-Argument Gebrauch gemacht. Polemik ist keineswegs unfair oder „unsachlich“; es wird zwar oftmals überspitzt und streitbar, jedoch auch ergebnisorientiert debattiert; die Auseinandersetzung wird förmlich gesucht.


Der folgende Text ist subjektiv, und erhebt in keinster Weise einen Anspruch auf Objektivität. Von einem „Bericht“ kann deshalb nicht die Rede sein.
Es ist möglich, ja sogar sehr wahrscheinlich, dass der erlebte Con von vielen Leuten als in allen Maßen positiv empfunden wurde. Diese Tatsache wird von mir weder bestritten, noch negativ beurteilt.

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Es begann mit einem Furz.
Ralf und ich standen oberhalb des Burgtores, um der SL-Ansprache zu lauschen. Auf der Tormauer hatten sich einige Spieler niedergelassen, um die nicht kurze Rede sitzend zu hören. Unter anderem auch Rainer Calmunds großer Bruder, der neben einem sehr zierlichen Mädchen saß; das Gewicht zweier Menschen, ungleich verteilt. Man saß, grinste, nickte, lauschte und wartete. Plötzlich hob sich der Berg kurz zur Seite. Mit pneumatischer Urgewalt brach sich seine Verdauung Bahn, lauter Donnerhall traf bebend auf schieferne Resonanz. Das kleine Mädchen zuckte zur Seite, und mit schreckgeweiteten Augen blickte sie auf den Quell des sonaren Katarakts. In ihrem Verstand verabschiedete sich still und leise etwas von seiner naturgemäßen Funktion, und irgendwo in Deutschland gewann ein Psychologe zukünftige Kundschaft.
Mit dieser Eröffnungsfanfare begann „Der Fluch von Burg Hexenfels“, und wie jede Ouvertüre den Inhalt der folgenden Akte voraus nimmt, zog sich auch dieser flatusische Moment programmatisch durch das Wochenende.
Die Organisatoren hatten sich viel Mühe gegeben. Burg Bilstein ist ein traditionsreiches Pflaster, und wurde mit geschickter Hand nutzbar gemacht. Eine Tischtennisplatten im Burghof beispielsweise tarnte man gekonnt als Ochsenkarren, eine Andere wurde durch Aufbauten zu einem Heiligenschrein mit lebensechter Statue, die sogar auf Knopfdruck Blut weinen konnte. Ein Teil des Burghofs verwandelte man mit schönen Mitteln in einen Friedhof, und ein trickreiches Dungeon wurde in die Kellerräumlichkeiten der Burg gebaut. Es gab eine gut sortierte Bibliothek, und viele andere kleine Gimmicks, die immer wieder während des Wochenendes ihre Auftritte hatten.
Soweit so gut. Der Plot gab sich dahingegen etwas konventionell. „Artefaktbaukasten – Ritual – Endschlacht“ wurde es Sonntagmorgen treffend zusammengefasst, obwohl man der Fairness halber hinzufügen muss, dass dieses Larp-Triptychon noch mit einem Sozialplot verknüpft wurde. Also: ein verrückter Burgherr, eine Hexe, ein Werwolf, zu erlösende Geister, eine zu heilende Krankheit bzw. ein zu lösender Fluch, besagtes Artefakt, ein Dungeon, welches einen Teil Selbiges enthielt – Alles in Allem nichts neues, nichts, dass es nicht schon mal auf Bilstein gegeben hätte, und irgendwie eine recht durchschaubare Hexen-Apologie. Wenn der Plot irgendwelche witzigen und innovativen Momente hatte, hab ich sie verpasst. Eine schöne Szene war jedoch Ralfs gräflicher Nervenzusammenbruch, im Nachthemd mit Holzschwert auf dem Burghof.
Und noch etwas habe ich verpasst: das Rollenspiel. Ich hatte leider das Pech, stets in die Outtimeblasen anderer Leute zu rennen, oder anders: die Leute haben wohl immer dann Rollenspiel gemacht, als ich nicht da war. So kam auf den gesamten Con keine Stimmung auf, da überall stets geblödelt, gelabert oder Larp-Phrasen („Rosa-Wölkchen“, „Drachenkutsche“ etc.) gedroschen wurden. Das Rollenspiel war also mager gesät.
Besagtes Dungeon beispielsweise: Klasse Konstruktion, Fackeln an den Wänden, Lavasee, mechanisches Drehschloss mit Hebeln, Bindfäden mit Glöckchen für Akrobaten, Runensteine zum Namen legen, Eisgolem zum kämpfen – ein Fest für Krabbler und Rätsler. Aber: funkende SLs an jeder Ecke, Null Rollenspiel unter den Abenteurern. Unheimliche Stimmung oder bedrückende Dungeonatmosphäre wurde durch rein mechanistisches Handeln, durch bloßes Fähigkeiten-Anbringen in Luft aufgelöst. Kein „Ist das Dunkel hier, ich hab Angst, wann sind wir wieder draußen“, stattdessen blödes Gekicher von kleinen Magiergirlies (Svea und Ann-Kathrin ausgenommen) und „Ich hab ja gar nicht soviel Punkte!“-Gelaber.
Aber nicht nur im Dungeon: Später am Ritual konnte man dann noch Zeuge einer Rockerbraut werden, die sich als Hexe verkleidet hatte; Zigarette rechts, Trommel links, und den Mund voller Obszönitäten.
Ansonsten war „Schlange stehen“ ein beliebtes Motiv an diesem Wochenende: Ob beim CheckIn, beim CheckOut, beim Abendessen oder sogar Intime beim Betreten der Burg – es war wie in England, Schlange gestanden wurde immer, oft und gerne.
Ich war seit langem mal wieder auf einem wirklichen High-Fantasy-Con, und jetzt weiß ich auch, weshalb ich darauf keinen Bock mehr habe. Nicht weil mir das Genre nicht gefällt (das tut es), oder weil es Probleme in der Darstellung gibt (die Orga hat wirklich etwas geboten), sondern weil ein Gros der Spieler einfach unfähig ist, vernünftiges Rollenspiel zu betreiben. Sie können sich nicht auf eine Stimmung einlassen, in der sie ihre Gefühle der Situation unterstellen, da sie immer demonstrieren müssen, wie cool sie doch sind, oder wie wenig sie das alles doch anficht. All diese Plot-Platitüden, Larp-Phrasen und Ego-Statements sind der gelebte Beweis dafür, dass Fantasy oft genau das Gegenteil von Phantasie bedeutet.
Ich werde sicher nicht allen Spielern gerecht, aber für mich war es ein Con wie ein Dan-Brown-Roman: Nur Plot, wenig Charakter. Wenn ein Con nur aus Plot besteht, und wenn dieser Plot von den Spielern aktiv gemacht wird – und man nicht gemeinsam eine Geschichte erlebt – dann wird der Con wie seine Spieler; und in diesem Fall geriet ihm das wirklich nicht zum Vorteil.
Was mich bei der ganzen Sache hauptsächlich geärgert hat, war die Tatsache, dass ich bei all den phantasielosen Spielern die etwas leiseren Zwischentöne bzw. ruhigeren Spieler einfach überhört habe. Denn obwohl der Gastgeber das Beste wollte: Wenn ein großer Mann furzt, dann sitzt das kleine Mädchen daneben, und die Welt scheint nur aus dicken, furzenden Männer zu bestehen.

Das wäre es von mir.

Daniel



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Chuck Norris can simply walk into Mordor.



Thema geschrieben von Datum/Zeit
[Bericht] Der Fluch von Burg Hexenfels Hana 2006-10-29 15:09
Fotos Gänsekiel 2006-10-29 18:21
[Polemik] Der Fluch von Burg Hexenfels Daniel Jungblut 2006-10-29 19:28
Schade Hana 2006-10-30 06:42
Re: Schade Daniel Jungblut 2006-10-30 08:33
Re: Schade Silbermond2 2006-10-30 11:17
Re: Schade Stephan*Harald* 2006-10-30 19:33
Ha-Ha *kt* Drowschreck 2006-10-30 07:45
mein Lebensgefährte??? Daniel Jungblut 2006-10-30 08:35
Re: mein Lebensgefährte??? Fred (ja, genau DER) 2006-10-30 10:12
so schlimm ist Absinth doch nicht... Daniel Jungblut 2006-10-30 10:51
[ot] so schlimm ist Absinth doch nicht... Gänsekiel 2006-10-30 11:13
Re: [ot] so schlimm ist Absinth doch nicht... Titof 2006-11-01 15:59
Re: Ha-Ha *kt* Drowschreck 2006-11-02 07:46
[noch ein Bericht] Der Fluch von Burg Hexenfels Gänsekiel 2006-10-30 11:18
Re: [noch ein Bericht] Der Fluch von Burg Hexenfels Stephan*Harald* 2006-10-30 19:40


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