Gänsekiel schrieb:

> Wobei ich hier ernsthaft anzweifle, daß das Paradigma "was
> nicht per Fund belegt ist, gab's nicht" bei Reenactoren,
> Archäologen und Historikern wirklich gleich gewertet wird.
> Man darf nicht vergessen, daß sich oft die Beschäftigung des
> Reenactors mit "Geschichte" in Realien- und Materialkunde
> erschöpft, was ein recht kleiner Teilbereich ist. Diese etwas
> begrenzte Sicht dürfte aber auch die angenommenen Paradigmen
> beeinflussen.

Klar. Vollkommen richtig. Einen Historiker interessiert es absolut nicht wei die Axt gebaut war mit dem ein Friedhof um 1264 geschändet wurde. Der fragt nach dem "Warum". Die Herleitung der Axt auf einen weit entfernten Nachbarstamm kann einen Anhalt geben, mehr aber auch nicht.
In der Welt der Wissenschaftler existiert aber auch eine klare Unterscheidung zwischen
Fakten (=Dinge die man gefunden hat, zweifelsfrei zuordnen konnte und deren Benutzung und Existenz druch andere erstquellen einordenbar ist)
Theorien (=Erklärungen die vorhandene Fakten in einen stimmigen Gesamtkontext bringen und keine offenen Fragen lassen und Berücksichtigung von Dingen wie Ockhams Razor ohne das jetzt zwingenderweise Historiker überhaupt wissen müssen wie das heißt was sie da anwenden, die nennen es "seriöse wissenschaftliche Arbeit")
Hypothesen (=Verutungen und Erweiterungen von Theorien die nicht einordenbare Funde, nicht erklärbare Berichte und ähnliches behandeln, und existente Theorien dahingehend erweiter, oder neue generieren die dann diese Fakten bzw. Berichte schlüssig abbilden)

Die Erglärung der Elliptischen Planetenbahnen aus der Gravitationstheorie ist ein schönes Beispiel dafür. Icjh habe die Fakten (=beobachtete Planetenbahnen) und eine Theorie (=das hängt mit der Gravitationskonstante zusammen und den Grundlagen der Astrophysik).

Jetzt dann das Wirken von Gott oder Aliens dort einzubeziehen ist ersten ein Verstoß gegen Ockhams Razor ("Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem") weil es eine zusätzliche und unnötige Entität in den Kontext einführt und ausserdem nicht durch Beobachtungen beweisbar, also noch nicht mal eine Hypothese.

Ich hoffe ich hab jetzt klarer gemacht warum die Aussage "Die waren doch damals auch nicht blöd!" in mehrfacher Hinsicht einfach Unfug ist und trotzdem manchmal einen griffigen Beitrag bildet um sehr sehr kurz (und auch manchmal sehr sehr falsch) etwas zu schldern was lange und ausführlich eh keiner versteht. Vor allem weil sie, wie du ja richtig anmerkst auch nicht mal in der realen Welt der Historiker existiert sondern eigentlich nur in der beschränkten Welt der Reenactoren auftritt, die teilweise völlig zu Recht von "echten" Wissenschaftlern nicht ernst genommen werden weil der Denkansatz schon falsch ist. Man beweist nunmal nix wenn man bloß versucht Dinge zu finden die andere Dinge die man mal gelesen hat nachweist.

Gruß
Fred



Wer hat´s erfunden?
der Fred! Eh klar!