Hallo Stephan,

sicherlich ist Dein Standpunkt moralisch sehr hochwertig und unterstützenswert. Ich denke, niemand in diesem Forum wird Deiner offen ausgesprochenen Verachtung für Vergewaltiger widersprechen - auch ich nicht.

Dennoch halte ich Deinen Beitrag für nicht unbedingt produktiv. Prämisse dieser Diskussion war, dass wir Forumsteilnehmer wissen, dass Vergewaltigung im LARP aus diversen Gründen scheiße ist.

Diese Folgediskussion beruht nun auf meiner Frage, ob unsere Charaktere denn das Thema "sexuelle Gewalt" kennen, ob sie also - außerhalb der bespielten "Wirklichkeit" - mit diesem Thema konfrontiert sind.

Bei mir ist es so, bei Gregor offensichtlich auch. Bei anderen nicht. Da ich (und ich denke auch Gregor) keineswegs sexuelle Gewalt in meinen Hintergrund einbaue (auf welche Art auch immer) um sie zu glorifizieren, sondern um einen Teil unserer Larp-Realität auszudrücken und ein für uns (!) authentisches Spiel zu erzeugen (Erklärung folgt gleich), sind wir im wichtigsten Punkt der Diskussion schon einmal einer Meinung, denke ich. Vergewaltigung im LARP ist und bleibt scheiße und unnötig. Punkt.

Der (unwichtigere) Punkt ist nun: ich kann keinen pseudomittelalterlichen Charakter spielen, wenn ich seine Welt auf ein allzu freundliches Abbild der Realität reduziere. Sprich: für mich sind Kämpfe im LARP eine ernsthafte Gefahr, die immer das Risiko des eigenen Ablebens mit sich bringt. Auch wenn es Wunderheiler, Regi und ziemlich stumpfe Waffen gibt, die nicht viel Schaden machen.
Genauso wissen meine Charaktere, dass es Männer gibt, die beispielsweise während eines Kriegszuges sexuelle Gewalt anwenden. Sie haben eine Meinung dazu.
Ich weiss nicht, wie ich auf ein reales Vergewaltigungsopfer mehr Rücksicht nehme, indem ich das Thema soweit stigmatisiere, dass man nicht einmal darüber NACHDENKEN darf.
Wie Du sicherlich weisst, leiden viele Opfer unter dem Gefühl, durch die schmutzige Tat nun selbst "schmutzig" zu sein. Das Thema ist komplexer, aber dahinter steht die Frage: "Warum ist gerade MIR das passiert?"
Helfe ich einer Frau, die unter diesem Gefühl leidet, indem ich den Standpunkt vertrete: "Das, was Dir passiert ist, ist so schlimm, dass ich nicht einmal darüber nachdenke?"

Meiner Ansicht nach nicht.

Glaube mir, ich weiss, wovon ich rede. Ich kenne viele Frauen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Einige davon auch wirklich sehr gut. Keine von ihnen ist derart traumatisiert, dass man sie vor dem Wissen beschützen muss, dass wir in einer Welt leben, in der es sexuelle Gewalt gibt. Das wissen Sie besser als wir.

(Ausnahme: Personen, die ihr Erlebnis bis dahin verdrängt haben und bei denen es nun wieder hochkommt. Das lässt sich aber dummerweise ohnehin nicht vermeiden - irgendwann werden sie sich damit beschäftigen müssen. Man kann eine solche Tat nicht verdrängen, ohne schwerwiegende psychische Auswirkungen zu erleiden, die weitaus schlimmer sind als das Leid, mit dem man bei einer solchen Erinnerung konfrontiert wird).

Jetzt verstehe mich nicht falsch: ich bin mit Dir einer Meinung, dass sexuelle Gewalt nicht ins LARP gehört, weil es ein zu sensibles Thema ist, um es spontan mit einer fremden Person spielen zu können. Daher bleibt es bei meinen persönlichen Dont´s. Abgesehen davon habe ich selber eine sehr schlechte Meinung von Vergewaltigern und würde den Teufel tun, einen solchen Charakter spielen zu wollen. Dennoch bestehe ich auf meinem Recht, mich in meiner Hintergrundgeschichte damit auseinander setzen zu dürfen. Weil es, wie ich Dir vielleicht darlegen konnte, niemandem schadet.

Nun zum Titel meines Postings: Sicherlich ist Flesh&Blood ein Film, der die "Träume" sehr primitiver Männer darstellt. Von daher halte ich nicht viel von ihm, auch wenn ich an dieser Stelle das Stichwort "Stockholm-Syndrom" in den Raum werfen möchte. Ich halte nämlich auch nichts davon, Dinge abzustempeln und wegzuwerfen.

Flesh&Blood mag der Stoff für feuchte Träume von Frauenfeinden und Ungeküssten sein, er eignet sich allerdings nicht (!) dazu, die Beschäftigung mit sexueller Gewalt (im LARP) vollständig zu stigmatisieren. Dazu ist er einfach zu primitiv.
Die Personen, die diesen Film als Referenz für ihren Charakter angeben, haben sicherlich keine Ahnung von Frauen. Das bedeutet aber nicht, dass eine Geschichte wie die von Gregor völlig an den Haaren herbeigezogen wäre, um seinen Charakter als "tollen Vergewaltigungshecht" darzustellen. Und es bedeutet auch nicht, dass meine Charaktere in einer Welt leben, in der es sexuelle Gewalt gibt, weil ich

a) keine Vorstellung davon habe, wie schlimm das Thema ist
b) heimlich selber geil darauf wäre, einer Frau so was anzutun.

Das ist eine sehr einseitige Sicht, die sich nicht für eine Diskussion eignet.

Viele Grüße,

Hauke