Hier mal die Meinung eines Anfängers (und Noch-Nicht-Aber-Hoffentlich-Demnächst-LARPers). Nicht alles davon bezieht sich wortwörtlich auf T.S.' Text, sondern auch auf andere Texte über die ich während meiner 'Einarbeitungszeit' gestolpert bin.
Der Vollständigkeit möchte ich darauf hinweisen, dass einige Stellen vielleicht etwas überspitzt formuliert sind um einen Punkt zu verdeutlichen (und nicht um irgendwem ans Bein zu treten) - Ich persönlich glaube, daß der Veteran so schreckhaft gar nicht ist.
> Ich persönlich glaube, daß der Anfänger so schreckhaft gar
> nicht ist.
Ich denke, hier von "der Anfänger" zu schreiben ist schon der erste Fehler.
Neben denjenigen, die sich entscheiden mit Pauken, Trompeten und 'ausbaufähiger' Gewandung einzusteigen gibt's auch die, die sich erstmal ein Bild machen wollen bevor sie um die hundert Euro in ein Anfänger-Kleiderset oder mehrere Stunden in Näharbeiten stecken (gerade für Leute die noch nie vor 'ner Nähmaschine sassen besonders abschreckend, auch da sie nicht sicher sind dass am Ende was anziehbares dabei herauskommt).
Und die suchen wohl eher nach Hinweisen wie man 'ne passable Gewandung aus den Sachen im Kleiderschrank improvisiert oder günstig im Second-Hand-Laden bekommt.
Der zweite Fehler, der in meinen Augen gerne gemacht wird ist anzunehmen, dass Anfänger sich primär um Gewandung Sorgen machen wenn sie mit dem Gedanken spielen einzusteigen. Ich denke, dass sie sich vor allem fragen "Wie läuft das so ab, was für Leute sind da so?". Texte mit dem Tenor "Du bist nichts, dein Kleid ist alles." oder "Wessen Äusserliches nicht meinen Mindest-Standards entspricht, mit dem red' ich nicht." erwecken eher den Eindruck, dass es sich bei LARP-Spielern um elitäre Betonköpfe handelt, als um offene Rollenspieler.
Natürlich gibt's da auch Unterschiede. Cyberpunk-LARPern scheint es möglich zu sein ihre Kleiderwünsche irgendwie auf "Es darf ruhig mal etwas anderes als schwarz sein, je punkiger, desto besser." zu bündeln. Und von Ganoven-LARPern hab ich noch gar nichts in diese Richtung gelesen. Da ich bei meinen Recherchen auch noch über keine Texte der Art "Warum zufällige Elektroteile am Schädel blöd aussehen" und "Kein Mafiosi ohne Hut" gestolpert bin, ist bei mir der Eindruck entstanden, dass beide Gruppen es schaffen viel entspannter an das Hobby LARP heranzugehen als beispielsweise Fantasy-LARPer. Vielleicht tun sie das ja auch...
> Der Anfänger hat ein Interesse daran gut einzusteigen. Ein
> Anfänger sucht alle möglichen Quellen ab und versucht
> herauszufinden, was das, mit seinen Mitteln machbare, Beste
> ist.
Richtig. Das mit seinen Mitteln machbare Beste. Und gerade dazu scheint sich irgendwie viel weniger finden zu lassen als zu "Was Person XYZ denkt dass Anfänger alles haben sollten" oder "Was man für 100 Euro alles kaufen kann". Etwa was für 'normale' Schuhe man anziehen kann. Dass braune Lederhosen nicht die schlechteste Idee sind. Irgendwo hab ich von Leuten gelesen die XXL-Shirts mit herausgeschnittenem Kragen als Unterkleidung verwenden und Stoff-Turnhosen zu ihrer Tunika tragen.
Praktische, einfache, billige Beispiele halt. Eben so was wie der Tin-Charakter später im Thread...
> Strenge Hinweise empfindet der Anfänger nicht als Beleidigung
> und Belehrung, sondern als wichtige Warnung. Es kann ihn
> einfach nicht beleidigend treffen, weil er ja noch nichts hat,
> und eine Belehrung sucht er ja gerade.
Doch, er hat ein Interesse am und Vorfreude aufs Spiel.
Und die kann ihm durchaus genommen werden wenn er nur "Ich erwarte dies und ich erwarte jenes. Und wenn du dich nicht dran hälst bist du einfach nicht gut genug dir LARP überhaupt anzuschauen." hört.
Vielleicht bin ich aber auch nur der einzige, der versucht war Tunika und Gugel im Schrank zu lassen und als Pirat aufzukreuzen, weil mir dieses "Lederhosen sind der Teufel"-Dogma auf die Nerven gegangen ist.
(Ja, gegen Lederhosen gibt es in manchen Fällen gute und nachvollziehbare Gründe. Manchmal wirkt es aber einfach etwas ... übertrieben.)
> Vor allem tut der Anfänger aber eines, er liest genau. Damit
> ist er vielen "Erfahrenen", bei der Interpretation meines
> Textes zum Beispiel, schon mal um Meilen voraus.
Eben. Und ein Anfänger ist meiner Meinung nach durchaus in der Lage, den Unterschied zwieschen einem Ratschlag, der als Ratschlag, und einem Ratschlag, der praktisch als Befehl formuliert wurde, zu unterscheiden.
> So weit ich das überblicken kann würden viele einen Anfänger
> ziemlich fragwürdig beraten. Sie würden ihm wider besseres
> Wissen nicht abraten von Dingen, die sie selbst für weniger
> passend halten.
Vielleicht würden sie ihm auch einfach sagen was sie denken und darauf hinweisen, was viele andere denken mögen - also beraten statt befehlen.
> Das hat zur Folge, daß aus dem Anfänger dann einer wird, der
> sich später gegen klare Ratschläge wehrt, da er bereits in eine
> "Partei" hineingeboren wurde.
> Vielen scheint es darum zu gehen, den Anfänger nicht zu
> "verschrecken" und ihn somit alles machen zu lassen was er
> will. Das wiedrum empfinde ich als fahrlässig, wenn man das so
> sagen kann, da gerade der Anfänger am meisten Kritik verträgt.
> Nach 10 Jahren Larp dagegen treibt man keinem mehr die
> Lederhose aus.
Vielleicht akzeptieren solche Leute einfach nur den freien Willen anderer und begnügen sich mit Ratschlägen. Kopfbedeckungen beispielsweise sind sicherlich was tolles, und etwas worauf man Anfänger sicherlich hinweisen sollte. Aber dann zu tun als sei ein Fehlen selbiger der Weltuntergang, und der Einstieg ins LARP ohne eine solche nicht möglich, ist dann meiner Meinung nach doch etwas übertrieben - zumindest ist das der Eindruck, der mir durch LARP-Photos vermittelt wurde.
Eventuell sollte man auf das Einfordern des Über-LARPers bei Anfängern verzichten und sich stattdessen darauf konzentrieren, maximales Ergebnis mit minimalem Aufwand zu erreichen. Wenn ein Anfänger ja erstmal in der Szene drin ist kann er sich ja mit den Leuten von Angesicht zu Angesicht unterhalten...
> Im übrigen sucht der Anfänger nach klarem Rat, er will wissen,
> was Sache ist, nicht wie er zum Larp gelockt werden kann.
>
> Was nützt ein mit falschen Versprechungen zum Larp gelockter
> Anfänger, wenn er zu einem fanatischen Lederhosenpiraten wird?
Wenn der Anfänger billig, schnell und einfach reinschnuppern kann, dann kann er sich ja selbst ein Bild machen und muss nicht gelockt werden. Und wenn's ihm nicht gefällt kann er ja wieder gehen, ohne irgendwelcher teuren/aufwändigen Gewandung nachtrauern zu müssen. Wenn's ihm gefällt kann er sich ja bei den Leuten vor Ort informieren.
Ich kann mir vorstellen, dass gerade für diesen ersten Schritt "Interesse an LARP -> erster Con" am meisten Material gesucht wird...
> Meine ich aus vielen Anfängern so gelesen zu haben und so ging
> es mir als Anfänger.
Um nochmal auf deine Empfehlungen zurückzukommen möchte ich mal auf die Archetypen aus der DSA-Basisbox und "Schwerter und Helden" verweisen (jaja, ist P&P und kein LARP).
Fünf von 18 Charakteren tragen Lederhosen, zwei zeigen mehr nackte Haut als bedeckte (und sind bemalt). Fast keiner trägt eine Tunika und fast alle Hälse liegen frei. Die Einbrecherin trägt Federn am Hut und der Wappenrock des Kriegers ist an der Seite offen. Teilweise ist die Kleidung großteils einfarbig und nur minimal verziert. Etwa die Häfte der Charaktere trägt nur einen Gürtel.
Trotzdem wirkt (imho) keiner der Charaktere wie aus der Gegenwart gezerrt und in einem Fantasy-Setting fehl am Platze. Ausserdem scheinen einige der Charaktere durchaus mit Second-Hand-Klamotten realisierbar.
Wäre vielleicht nicht schlecht die Meinungen einiger 'alter Hasen' dazu zu hören.
Hier ein paar Bilder:
Archetypen "Schwerter und Helden"