Die rein körperlichen Gefahren halte ich im Vergleich zum "vielbefahrene Strasse überqueren" für vernachlässigbar und komme desghalb gleich zum wahren Potenzial des LARP.
LARP ist eines dieser Spiele, die man spielt, indem man eine einzelne Figur in einer Welt verkörpert wobei die Figur und / oder die Zeit und / oder der Ort und / oder die Welt, aber mindestens eines davon anders ist, als in der Realität. Dieses Kriterium alleine trifft auch auf viele Computerspiele, Chat-Sessions unter falscher Identität und das Cowboy-und-Indianer-Spiel in der Jugend zu.

Die Vorzüge des LARPs im Vergleich zu anderen Varianten des Rollenspiels liegen in der starken Interaktivität und der wirklich großen Handlungsfreiheit gepaart mit der Synchronität (außer, wenn mal wieder Time-Freeze ist ;) ) und der Persistenz der Welt (Wenn man seinen Character denn so spielt, dass die Geschehnisse auf Cons Auswirkungen auf seine Entwicklung haben).
Durch diese Eigenarten des LARP wird LARP meist als "realistischer" wahrgenommen, als andere Formen des Rollenspiels.

Aus den großen Vorteilen ergeben sich natürlich gleich die Gefahren:
Was auch immer man verdrängt hat, kann durch Assoziation sehr schnell in den Vordergrund zurückgerufen werden und wenn man das nicht rechtzeitigt bemerkt, kann Realitätsverlust die Folge sein (es ist möglich, dass man alte Erlebnisse oder Emotionen wiedererlebt).
Selbstüberschätzung ist das geringere Problem - das passiert einem ein Mal und dann weis man, wie weit man gehen kann (man sollte nur aufpassen, dass die Folgen der Überschätzung möglichst wenig nachteilhaft sind ;) ).
Wirklich problematisch kann aber die unterbewuste Auswertung der Erlebnisse des Characters sein - ich selbst habe festgestellt, dass ich viel arroganter und ignoranter geworden bin, seit ich meinen Priester spiele.

Daraus ergibt sich natürlich, dass folgende Konstellationen besonders gefärlich sind:
Das Auspielen von Situationen, die an Erlebtes oder befürchtetes in der realen Welt assoziieren.
Das hineinsteigern in die virtuelle Welt oder Teile von ihr - Es ist generell sinnvoll, immer auch ein wenig OT zu beobachten, denn wenn man ein reales Auto irgendwann wirklich nur noch als Kutsche wahrnimmt, ist der Zustand ereicht, den die Psychologen der realen Welt wohl als krankhaft bezeichnen (ich persönlich finde es unter anderem deswegen störend, Realautos als Kutschen oder Drachen zu bezeichnen, weil es die OT-IT-Trennung erheblich komplizierter macht).

Das Gegenmittel gegen solche Effekte ist grundsätzlich die Selbst-Beobachtung und -Reflexion. Wer seine persönlichen Traumata kennt, kann sie gezielter verdrängen (nicht wirklich gut) oder sie bewusst erleben und verarbeiten (potenziell schmerzhaft aber mir hat's geholfen).
Insbesondere bei völlig irreellen Ängsten, wie zum Beispiel der Angst vor Dunkelheit, europäischen Spinnen oder kleinen Räumen lässt sich durch Selbstbeobachtung der Ansatzpunkt für den Logischen Hebel finden, der diese Ängste durch logisches Verständnis der eigenen Befürchtungen und der daraus folgenden unterbewussten und bewusten Einsicht, dass diese Ängste völlig unbegründet sind, beendet.
Ängste, die auf realen Erfahrungen beruhen wird man aber nicht so leicht los - da sollte man wohl lieber die Verarbeitung im Gespräch mit Vertrauten suchen (das muß nicht der Partner sein, sehr gute Freunde gehen auch).


Die andere Gefahr, die ich noch ansprechen will, ist völlig anderer Natur:
Der wegfall von einigen "Sitten und Gebräuchen", kann die Menschen, mit denen man im Realleben zu tun hat "erschrecken".
Wer LARP ausgiebig betreibt und sich wirklich mit dem Thema beschäftigt kann eventuell bei sich eine Art Umdenkprozess feststellen. Durch den häufigen Umgang mit der Natur und eine Erfahrungsbedingte tiefere Einsicht in das Gefühlsleben von einem Selbst und auch anderer Menschen kann es passieren, dass man gewisse Regeln, die man durch seine Erziehung angenommen hat, plötzlich in Frage stellt (ich persönlich bin erschreckend offen geworden, durch meine Erfahrungen im LARP und habe auch meine Schüchternheit verloren).
Es ist also nicht auszuschließen, dass man versehentlich andere Nicht-LARPer beleidigt, vor den Kopf stößt oder einfach nur schokiert, weil man etwas sagt oder tut, was man selbst für völlig normal hält (das ist wirklich ein Problem, weil man es selbst manchmal gar nicht merkt).
Diese Phenomän vergleiche ich persönlich gerne mit dem Effekt, dass mir die Unkenntnis vieler Leute im Computerbereich oft völlig suspekt ist, da ich selbst natürlich über umfangreiches Fachwissen verfüge, dass ich, wenn ich nicht wirklich darauf achte, natürlich auch bei anderen implizit voraussetze ;)



Allan Wegan - Ich bin LARP-süchtig und finde das voll OK.